Reykjavik. Wikileaks errang vor dem Supreme Court einen bedeutenden juristischen Sieg. Das Gericht verurteilte den Finanzboykott gegen Wikleaks als illegal. Im Einklang mit der US-Regierung hatten Finanzfirmen sich 2010 geweigert Spenden weiterzuleiten, um WikiLeaks in die Enge zu treiben. Julian Assange war damals von den USA zum Staatsfeind Nr.1 erklärt und mit Sex-Beschuldigungen extremer Stigmatisierung ausgesetzt worden. Jetzt könnte es um Schadensersatz in Millionenhöhe gehen.
WikiLeaks konnte letzte Woche, im medialen Windschatten des Wahl-Endspurts, auch vor dem höchsten isländischen Gericht einen weiteren bedeutenden juristischen Sieg erringen. Das Gericht verurteilte den Finanzboykott von 2010, als sich mutmaßlich in vorauseilendem Gehorsam gegenüber der US-Regierung etliche Finanzdienstleister weigerten, Spenden an WikiLeaks weiterzuleiten, als illegal. Julian Assange war zu dieser Zeit von den USA zum Staatsfeind Nr.1 erklärt worden und zudem mit sexuell begründeter Strafverfolgung aus Schweden extremer Stigmatisierung ausgesetzt -zu der dann auch noch Geldnot kam.
Die Kreditkartenfirmen Visa und MasterCard hatten sich während der Cablegate-Veröffentlichungen Ende 2010 plötzlich geweigert, weiterhin Spenden weiterzuleiten. Zeitweise war die deutsche Wau-Holland-Stiftung die letzte Geldquelle der von Hunderten US-Agenten gehetzten Whistleblower. Später dafür polizeilich verfolgte Hacker von Anonymous hatten damals in der „Operation Payback“ zu Netzattacken gegen Finanzfirmen gegriffen, um auf die rechtswidrige Drangsalierung hinzuweisen. WikiLeaks betonte, der illegale Boykott habe zu einem Rückgang der Spenden um 95 Prozent geführt. Dies ist zwar eine Angabe, die aus Sicht der Finanzfirmen angeblich nicht zu verifizieren ist, die sich jedoch sehr leicht aus vorherigen Monaten hochrechnen lässt -im Geschäftsleben ein übliches Verfahren, um das Ausmaß einer Geschäftsschädigung zu beziffern. Wenn für ein paar Stunden via DDOS aus dem Netz genommene Onlinefirmen so ihre angeblichen Verluste beschreien, wird das von Medien auch gerne so hingestellt -obwohl die z.B. Buchkäufer höchstwahrscheinlich später ihre Bestellung nachholen dürften. Im Fall Wikileaks verweisen viele Journalisten merkwürdigerweise aber ausdrücklich darauf, wie schwer solcher Schaden doch zu verifizieren sei. Und das, obwohl bei monate- und jahrelanger Blockade ein tatsächlicher Schaden kaum abzuleugnen ist.
„We thank the Icelandic People“
Julian Assange wandte sich nicht nur an die Richter, sondern an die ganze Bevölkerung Islands und bezeichnete das Urteil als einen Sieg für die Meinungsfreiheit:
„Wir danken dem isländischen Volk dafür, dass es uns gezeigt hat, dass es sich nicht von mächtigen, von Washington unterstützten Finanzdienstleistern wie Visa einschüchtern lässt… Und wir schicken eine Warnung an die anderen Firmen, die in diese Blockade verwickelt sind: ihr seid die Nächsten„. (gulli)
Mit seinem Richterspruch bestätigte der „Supreme Court“ in Reykjavik das Urteil eines Bezirksgerichts, dem zufolge MasterCards lokaler Partner Valitor seinen Vertrag mit WikiLeaks‘ Finanzdienstleister DataCell rechtswidrig kündigte. Valitor hat jetzt binnen einer Frist von 15 Tagen das WikiLeaks-Spendenkonto wieder zu eröffnen. Für jeden weiteren Tag droht der Firma eine Konventionalstrafe von 800.000 Isländischen Kronen (gut 5200 Euro).
WikiLeaks ist jetzt guter Hoffnung, dass das isländische Urteil einen Präzedenzfall für weiter laufende Klagen in anderen Ländern schaffen wird. Besonders im ebenfalls der skandinavischen Rechtskultur verpflichteten Dänemark ist durchaus eine ähnliche Rechtsprechung zu erwarten. Die Strategie, das von WikiLeaks als Finanzblockade eingeschätzte Verhalten der Finanzfirmen lokal zu bekämpfen, hat sich bisher als zwar mühsam und langwierig, aber dennoch als soweit erfolgreich bestätigt. Jetzt bleibt nur noch abzuwarten, ob von den Finanzbütteln der US-Regierung auch ein angemessener Schadensersatz für die angerichteten Einbußen einzuklagen ist. Auch dagegen werden sie sich vermutlich mit allen juristischen Tricks zur Wehr setzen, die man mit viel Geld von teuren Anwälten bekommen kann.
Der tatsächliche Schaden wird jedoch kaum wieder gut zu machen sein: Wikileaks wurde von den Bankstern in der Stunde höchster Not im Stich gelassen, was sicher zur Zerstörung der damaligen Hacker-Tafelrunde beigetragen hat. Und das, nach allem was die Netzaktivisten für die Finanzbranche getan hatten: Mit aufklärenden Leaks wollte Wikileaks den Grundstein für eine künftig ehrliche Betriebsführung mit sauberen Methoden legen. Doch dieses noble Projekt war wohl nichts, was Bankster sich gewünscht hatten. Sollten eines Tages wieder ein paar ehrenhafte Bankkaufleute in diesem heute dubiosen Metier in Spitzenpositionen gelangen, werden sie Julian Assange vielleicht sogar die Bilderberger-Rockefeller-Rothschild-Medaille für Verdienste im Kampf gegen dunkle Finanzkriminelle und dreiste Schwarzgeldschieber verleihen müssen.