Inge Hannemann gegen Jobcenter: Klage beigelegt

Theodor Marloth 15.Dezember 2014

Hamburg. Am gestrigen Montag einigte sich die Jobcenter-Dissidentin Inge Hannemann mit ihrem Arbeitgeber, der die Kündigung zurück nehmen musste. Die Behörden, denen unter anderem die gnadenlose Exekution der brutalen Hartz-IV-Gesetze obliegt, wollen die Kämpferin für H4-Humanität jetzt mit sogenannter „Integration“ beauftragen. Die Jobcenter-Dissidentin muss laut Mopo vorerst einen Job in der Hamburger Sozialbehörde annehmen. Hoffentlich darf sie sich nun der schweren Aufgabe widmen, das zynische Führungspersonal der Jobcenter zurück in unsere Gesellschaft integrieren. Die zur schmarotzend lebenden Zehn-Prozent-Oberschicht zählenden Manager haben sich über Jahrzehnte immer mehr verschärfter Ausbeutung vom Rest der Bevölkerung weit entfernt.

Nur ein von den Mainstream-Medien ausnahmsweise einmal nicht verschwiegenes skandalöses Beispiel für den Zynismus: Einer allein erziehenden Mutter zweier Kinder im Alter von 9 und 11 Jahren wurde zum Winter der Strom abgestellt und damit auch die Warmwasseranlage. Von der Behörde, auf deren Zahlungen sie angewiesen ist, wurde ihr ein Kredit zum Begleichen der Stromrechnung verweigert. Begründung: Die beiden Kinder wären jetzt alt genug, um Herbst und Winter auch mit kaltem Wasser zu überleben. Dem widerwärtigen Pack, das solche Entscheidungen fällt, kann man gar nicht oft genug den zynischen Kopf mit kalten Wasser übergießen, damit es endlich zur Besinnung kommt.

Das gilt für den kleinen Sachbearbeiter-Schergen vor Ort, seine Vorgesetzten, die Behördenleitung und die Gesetzgeber, die so etwas möglich machten. Es gilt auch für die Lobbyisten, die Politiker dazu angestiftet haben, hier also Beraterfirma McKinsey und die Bertelsmann-Stiftung. Bertelsmann ist nicht nur Drahtzieher der Hartz-IV-Entmenschlichung unserer Gesellschaft, sondern hat sie jahrzehntelang auch durch ekelhafte Medienpropaganda flankiert.

Bertelsmann heuchelt auf sozial

Wenn jetzt einzelne sogenannte „Studien“ der Bertelsmann-Stiftung in den Medien gepriesen werden, die sich hie und da gegen kleinere soziale Missstände richten, ist dies bestenfalls Ausdruck eines schlechten Gewissens. Schlimmstenfalls ist es pure Imagepflege, auf welche die Herde der Mainstream-Medienleute, nicht nur soweit sie direkt Bertelsmann unterstehen, begeistert „hereinfällt“. Bertelsmann soll seine Hartz-IV-Verwicklung lückenlos aufklären und sich bei seinen Opfern entschuldigen. Aber bitte nicht so abwiegelnd-verdruckst wie bei seiner Nazi-Vergangenheit (diese ist Bertelsmann-Konsumenten bis heute meist unbekannt).

Die Berichterstattung der (Bertelsmann-) Medien war in den letzten Jahren leider durchzogen von einer zynischen Haltung der journalistischen Klasse. Es ging und geht um die Verschärfung von Ausgrenzung gegenüber ökonomisch Benachteiligten -bis hin zur zunehmenden Vorenthaltung von Menschenrechten auf Teilhabe, auf Bildung, selbst auf Gesundheitsversorgung. An der eigenen als „Unterschicht“ diffamierten Bevölkerungsmehrheit wurde die unmenschliche Haltung eingeübt, die Journalisten heute im Ukraine-Konflikt in den Dienst mörderischer Nato-Kriegspropaganda stellen: Lügen, verzerren, abwiegeln, totschweigen. Warum sollte das Leiden der Ostukrainer Medienleute interessieren, die sich schon im eigenen Land für mehr Unmenschlichkeit stark gemacht haben?

Neoliberale Ideologien wurden stumpfsinnig verbreitet, den Massen täglich eingebläut. Nur so kam es nicht zu größeren Protesten angesichts einer skandalösen Politik: Die für eine florierende Volkswirtschaft unverschämten Einschnitte bei Löhnen, Renten, Gesundheit, Bildung usw., die wir in den letzten Jahrzehnten beklagen mussten, sind Folgen einer Politik der Steuersenkungen. Neoliberalismus ist Politik, die sich unter dem Deckmantel des angeblich effizienteren, „schlanken Staates“ in einer Orgie korruptiver Privilegien-Schenkungen ergeht, die nur den zunehmend parasitär lebenden oberen zehn Prozent nützt.

Jene zehn Prozent, die allein ihr Einkommen und Vermögen seit 1990 steigern konnten, sind die Kriegsgewinnler des neoliberalen Regimes. Sie puffern die wirklich großen Kapitalvermögenden nach unten hin ab und streichen dabei ihren Lohn ein. Sie werden in den Mainstreammedien als „Leistungselite“ bejubelt und jammern unentwegt darüber, dass sie einen kleinen Teil ihres so erworbenen schmutzigen Geldes als Steuern zahlen sollen.

Dabei gehen Steuergeschenke, deren Löwenanteil wieder bei den ganz großen Vermögen landet, fast immer zu Lasten der Ärmsten: Wo dem Staat Steuern fehlen wird gespart, gekürzt und privatisiert. Die Armen und besonders ihre Kinder, die Alten, die Kranken zahlen die Zeche. Nicht aus ihrem Privatvermögen, welches sie ja gar nicht haben, sondern mit dem Verlust von Menschenrechten –mit ihrer Freiheit, ihrer Würde und ihrem Blut.

Hartz IV und das Elend des Neoliberalismus

Theodor Marloth 26.1.2013

“Neoliberalismus”, das klingt toll, das klingt nach Freiheit. Aber es geht um die “Freiheit” der FDP, die Freiheit der Millionäre von jeglicher Verantwortung. Hartz IV steht für Entrechtung und Ausbeutung -die UNO rügte dafür die Bundesregierung wegen Verletzung der sozialen Menschenrechte und des UNO-Sozialpaktes.

“Neoliberalismus”, das klingt toll, das klingt nach Freiheit. Aber es geht um die “Freiheit” der FDP, die Freiheit der Millionäre von jeglicher Verantwortung – nicht nur bei Möwenpick. Die Möwenpick-Steuerbefreiung fiel zufällig zusammen mit fetten Parteispenden. Millionenspenden stehen für die Freiheit der FDP-Funktionäre von der Last, einer Arbeit für ihr Geld nachgehen zu müssen. Ebenso, in etwas kleinerem Maße, bei CDU/CSU, SPD und Grünen. Allein die Linkspartei läuft nicht wie geschmiert: Sie bekommt keine Spenden der Geldeliten und Unternehmen.

Von Thatcher zu Hartz IV

Seine Popularität gewann der Neoliberalismus durch Medienkampagnen, durch konservative Regierungen (Reagan/Thatcher) und durch eine Flut von Nobelpreisverleihungen, z.B. Milton Friedman (Monetarismus). Friedman hatte seine eigene ökonomische Schule, die sog. Chicago Boys. Deren “angebotsorientierte” Wirtschaftspolitik soll privatwirtschaftliche Investitionen fördern. Wie? Natürlich durch Steuersenkungen, Deregulierung, Abbau von sozialen Rechten und insbesondere den Rechten der Arbeitnehmer.

Die “Chicago School” ist wirtschaftsliberal, kämpft fanatisch gegen den Sozialstaat und für weitgehende Privatisierung öffentlicher Einrichtungen. sie will alles über Geld steuern, daher auch Monetarismus. Der Besitz von viel Geld gilt ihr als Beweis für Überlegenheit, für “Elite”. Elitarismus und Sozialdarwinismus gehen bei ihr zuweilen fließend in althergebrachten Rassismus über, aber nur bei Bedarf. Bedarf besteht immer, wenn soziale oder gar sozialistische Politik in einem Land an Boden gewinnt. Bei uns ist die “Chicago School” präsent durch ihren Front-Verein FDP, aber auch in Union, Grünen und SPD. Ihr Programm: Privatisieren und Entsolidarisieren, Hartz IV lässt grüßen.

Die Wirtschaftswissenschaft hinter Keynes zurückgeprügelt

All dies soll angeblich Arbeitsplätze schaffen und Staatsdefizite reduzieren, so die verlogene Propaganda der Öffentlichkeit gegenüber. Für diese Behauptungen hat der Neoliberalismus jedoch nie einen Beweis erbracht. Ebenso fehlt jeder Beweis für die neoliberale Behauptung, die an der Nachfrage orientierte Wirtschaftspolitik nach Keynes wäre unwirksam gewesen. Mit Politik nach Keynes wurden die USA zur Weltmacht, wurde Europa aus den Trümmern des Faschismus wieder aufgebaut.

Keynes heißt: Der Staat muss die Reichen besteuern, mit dem Geld Infrastruktur aufbauen und dabei Arbeitsplätze schaffen, deren Arbeit gut bezahlt wird. Der Neoliberalismus besteht zuerst daraus, wie ein Geier über die so aufgebaute Infrastruktur herzufallen und sie zu privatisieren. Dann wird der Zugang der Mehrheit zu Post, Bahn, Wasser  usw. abgewürgt, die Löhne sinken, Massenentlassungen folgen, Elend zieht ein –und die Reichen stopfen sich wieder die Taschen voll.

Die Erfolge der keynesianischen Wirtschaftspolitik wurden aber seit den 1970er-Jahren immer mehr geleugnet oder klein geredet. Keynes Ansätze wurden in der Öffentlichkeit auf das Schuldenmachen reduziert (1), ihre theoretische Weiterentwicklung ebenso tabuisiert wie ihre praktische Anwendung (2). Diese Verbrechen gegen die soziale Gerechtigkeit wurden begangen, obgleich hellsichtige Mahner schon in den 70er-Jahren gewarnt hatten, die Wirtschaftswissenschaft droht “hinter Keynes zurückgeprügelt” zu werden (3).

Die Hauptwirkung neoliberaler Rezepte ist überall eine weit auseinander klaffende Einkommensschere. Das Unrecht klafft auf zwischen rapide wachsendem Reichtum der Geldeliten auf Kosten von Armut und Elend der Mehrheit. Doch nicht nur der einfache Arbeitnehmer leidet, sondern auch die nicht exportorientierten Teile der heimischen Wirtschaft. Daher gibt es inzwischen sogar im Spektrum maßvoller Konservativer Aufrufe zu weniger Marktradikalität und einer Besinnung auf keynesianische Ansätze (4).

Globalisierungslügen und Neoliberalismus dominieren seit drei Jahrzehnten die westliche Wirtschafts- und Finanzpolitik (5). Propagiert von allen großen Mainstream-Medien, wurde die Öffentlichkeit mit ihren Parolen so sehr überflutet, dass sie dem durchschnittlichen Medienkonsumenten heute kaum noch als Ideologie bewusst werden können: Die dümmlichen Parolen (“Reiche sind Elite, Steuern erheben geht nicht, weil die sonst ins Ausland fliehen” usw.) gelten als das, was ”man eben so denkt”.

Ihr Kern ist eine Ideologie angeblichen Wettbewerbs, eine Ökonomisierung menschlichen Verhaltens zur “Dienstleistungsgesellschaft” und eine Entpolitisierung unserer Kultur. Entpolitisierung geht so: Die Politik wird zuerst korrumpiert, um sie dann als korrupt und unfähig hinzustellen. Die Korruption bringt Politiker dazu, gegen ihre Wähler zu intrigieren, um der Geldelite die Taschen noch mehr zu füllen. Die Medien propagieren dann zum Schluss noch die Machtlosigkeit des Staates gegenüber der Wirtschaft. Natürlich sind das reine Lügen, denn eine andere Regierung könnte jederzeit die geraubten, gestohlenen und erschlichenen Reichtümer von der Geldelite zurück holen.

Geld-”Eliten”: Bei ihnen fließt zusammen, was eigentlich uns gehört

Warum sollten wir uns nicht unseren Wohlstand von den Finanzparasiten zurückgeben lassen? “Das geht nicht, weil sie dann ins Ausland fliehen!”, kreischt die gekaufte Journaille, “In die Schweiz! Zu ihren Schwarzgeldkonten!” Eine platte Lüge –lasst sie doch gehen, ihr Geld bleibt hier. Das meiste liegt sowieso in Luxusvillen und anderen Immobilien fest. Und fiskalisch besteht die Möglichkeit, bei Wohnortwechsel eine z.B. 90% Vermögenssteuer ab Besitz von mehr als einer Million zu erheben: Und dann Tschüß!

Ausbeutereliten tragen nichts zu unserem Wohlstand bei, anders als uns weisgemacht wird. Im Gegenteil, bei ihnen fließt zusammen, was eigentlich uns gehört. Aus der Bevölkerung heraus gequetscht mit Werkvertrag, Leiharbeit, Niedriglohn unter der Drohung mit der Hartz-IV-Keule. Ist dieser Zusammenhang schwer zu verstehen? Nein.

Aber dank Medienlügen und Propaganda-Hirnwäsche bibbern die Besitzbürger und solche, die sich noch dafür halten vor dem Verlust “der Eliten”. Pseudo-Kabarettisten schimpfen brav auf die Politiker und am Ende hat der Einzelne Schuld, wegen seiner “Eigenverantwortung”. Die Menschen wenden sich resigniert und angewidert vom politischen System ab: Ende der Demokratie –nicht per Militärputsch, sondern per Finanz- und Medienputsch.

Wo hat der Neoliberalismus auf diese Tour am meisten Geld aus den Menschen heraus gequetscht? In Deutschland. Wo sinkt die Wahlbeteiligung am meisten unter den Europäern? In Deutschland. Die Beteiligung der Menschen an unserer Demokratie ist in den letzten Jahrzehnten (anders als in anderen Ländern) kontinuierlich gesunken, von ca. 80 auf nur noch 60 Prozent. Zufall?

Möglich war dies nur, weil soziale Politik auf die Linkspartei zurück gedrängt wurde –und die Medien die Linkspartei dann als Inbegriff stalinistischer Verbrechen hinstellen. SPD und Grüne gehören längst den Bilderbergern und die Interessen der ausgebeuteten Mehrheit vertreten im Bundestag nur noch 6 Prozent Linke. So geht Exportweltmeister bei hungernden Hartz-Kindern. “Working Poor”, Ausbeutung und wenn die Leute das kapieren und Links wählen? Dafür hält man sich Rassisten und Faschisten in der Hinterhand. Siehe Ungarn.

UNO rügt Menschenrechtsverletzung durch Hartz IV

Der Neoliberale sieht im Sozialstaat nicht die soziale Basis der Freiheit wie unsere Verfassung, das deutsche Grundgesetz (Artikel 20 Sozialstaatsgebot). Der Neoliberale sieht im Sozialstaat die angebliche Unfreiheit des Bürgers –des “Wirtschafts-Bürgers” (6). Der Rechtsstaat ist dem Neoliberalen dabei scheißegal, auch wenn die FDP ein chronisches Abo auf das Justizministerium zu haben scheint: 1973 ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland den UNO-Sozialpakt, dem damit formell der Rang eines deutschen Bundesgesetzes zukommt. Der Sozialpakt konkretisiert die Menschenrechte und verbietet Zwangsarbeit und das Vorenthalten eines angemessenen (bescheidenen) Lebensstandards.

In beiden Punkten wurde die heutige Hartz-IV-Sozialpolitik Deutschlands von der UNO gerügt. 2011 warf der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der deutschen Bundesregierung vor, die Umsetzung des Sozialpaktes der Bevölkerung rechtswidrig zu verweigern, wie der Theologe Franz Segbers berichtet (7). Zwangsarbeit wurde in der deutschen Praxis gesehen, von Sozialleistungen abhängige Menschen mit schikanösen Mitteln zur Arbeit zu nötigen –von Rotgrün als Agenda 2010 eingeführt, von Schwarzrot und Schwarzgelb stetig verschärft. Auch die geizige Verelendung der Armen bei Verhätschelung der Reichen wurde bemängelt, insbesondere auch das Elend der Asylsuchenden in Deutschland. Die deutschen Medien hatten andere Themen, die deutsche JournalistIn guckt lieber auf den Sex von Wetterfröschen, angeblich faule Griechen und lobhudelt kriecherisch die “Eliten”…  die Abzock-Kriminalität von Top-Managern wird kleingeredet und dann legalisiert, der Überlebenskampf von Hartz-IV-Opfern zum greulichen „Sozialmissbrauch“ verteufelt.

Siehe auch: Woher kommt das Elend des Neoliberalismus?

Fußnoten/Quellenangaben:

1. Vgl. Müller, C. u. Lafontaine, O., Stehvermögen, in: Heseler, H., Huffschmidt, J. u.a. (Hg.), Gegen die Markt-Orthodoxie. Perspektiven einer demokratischen und solidarischen Wirtschaft, Hamburg 2002, S.106-109, S.107.

2. Vgl. Zinn, K.G., Der Kapitalismus der nächsten Generation, in: Hickel, R. u.a. (Hg.), Politik des Kapitals –heute, Hamburg 2000, S.74-90, S.85 f.

3. Eppler, Erhard, zit.n. Flassbeck, H., Wirtschaftspolitische Sommerphantasien, in: Blätter f.dt.u.int.Politik Nr.10/2006, S.1223-33, S.1223.

4. Vgl. Machold, U., Keynes? Ja, aber intelligent, “Welt am Sonntag” Nr.27/2004.

5. Vgl. Boxberger,G. u. H.Klimenta, Die 10 Globalisierungslügen, München 1998.

6. Vgl. Butterwegge, Christoph, Rechtfertigung, Maßnahmen und Folgen einer neoliberalen (Sozial-) Politik, in: Butterwegge/Lösch/Ptak, Kritik des Neoliberalismus, Wiesbaden 2007,  135-220,  S.136.

7. Segbers, Franz, Die Armut der Politik: Menschenrecht auf Nahrung und der Irrweg der Tafelbewegung, Blätter f.dt.u.int.Politik Nr.1/2013, S.80-89, S.80 f.