Rechtzeitig vor den Wahlen hatte sich Wikileaks in Australien offiziell als politische Partei registrieren lassen. Wikileaks-Gründer Julian Assange bewarb sich damit um einen Senatssitz in seinem Heimatland Australien. Ein Ausweg aus der Einsperrung ins Asyl der Londoner Botschaft Ecuadors? Jetzt kriselt es in seiner Partei.
Ungewiss blieb, ob Julian Assange im Fall seiner Wahl seinen Sitz im Senat wahrnehmen könnte. Ein anderer Kandidat der Wikileaks-Partei sollte daher nachrücken, falls der Wikileaksgründer weiterhin in der Botschaft Ecuadors eingekerkert bleiben müsste. Ausgerechnet die für den Senatssitz ersatzweise vorgesehene Kandidatin Leslie Cannold aber trat jetzt zurück, gefolgt von einer Reihe weiterer Parteivertreter -ein Rückschlag für die Partei. Cannold, die im Bundesstaat Victoria kandidierte, trat zurück ohne persönliche Anschuldigungen gegen Julian Assange zu erheben. Der ebenfalls zurückgetretene Dan Matthews schrieb:
„The Wikileaks Party has arguably suffered serious problems from the outset, being pulled in radically different directions from its base and membership, on the one hand, and the figurehead and associates on the other. These contradictions must eventually resolve themselves, and my resignation today is part of that resolution.“
Julian Assange hat seine Mitverantwortung für die Auflösungserscheinungen der Wikileaks-Partei eingeräumt, als deren Spitzenkandidat er antritt. “Ich habe versucht, das Leben eines jungen Mannes zu retten”, erklärte er gegenüber dem australischen TV-Sender ABC laut ZDNet. Er meinte natürlich den PRISM-Enthüller Edward Snowden, für dessen Unterstützung er viel Zeit aufwenden musste. “Ich gebe daher zu und akzeptiere die volle Verantwortung dafür, in der australischen Partei zu stark delegiert zu haben, während ich mich um diese Situationen gekümmert habe.” Julian Assange sagte, er sehe in der Rücktrittsserie nur “Startschwierigkeiten” der australischen Wikileaks-Partei. Die reaktionäre deutsche FAZ freut sich über den „Scherbenhaufen“ vor dem Wikileaks jetzt angeblich steht und fragt süffisant, ob Julian Assange ein „undemokratischer Anführer“ sei.
Tücken des australischen Wahlrechts: Taktik
Streitpunkt waren die taktischen Präferenzen, die die Rangfolgewahl im australischen Wahlrecht erfordert. Die Wähler wählen dabei eine Rangfolge aus, in der sie die Kandidaten präferieren. So können sie ihre erste Stimme für aussichtslose Kandidaten abgeben und verschenken dennoch nicht ihren Einfluss, wenn es letztlich um die Wahl zwischen den aussichtsreichen Kandidaten geht. Australische Parteien geben ihren Anhängern dazu taktische Empfehlungen für die auf dem Stimmzettel anzugebende Rangfolge. Der Parteirat der Wikileaks-Partei tendierte nach engagierten Diskussionen zur Taktik, Kandidaten der Grünen und der Piratenpartei zu präferieren. Der von den Briten festgehaltene Julian Assange konnte sich an den Beratungen des Parteirats kaum beteiligen, versuchte aber zusammen mit einigen Ratsmitgliedern Präferenzempfehlungen für andere kleine Parteien durchzusetzen, die teilweise weit am rechten Rand der australischen Politik angesiedelt sein sollen (so ZDNet) -die bei uns üblichen Rechts-Links-Schemata sind jedoch nicht ohne weiters auf australische Verhältnisse übertragbar.
„Nationalistische“ Parteien, die für einen Austritt aus dem Britischen Commonwealth plädieren, können durchaus aus fortschrittlich angesehen werden -zumal aus Sicht eines defacto Häftlings Ihrer Majestät, die offiziell immer noch das alte Britische Empire anführt. Siehe die „Shooters and Fishers Party“ sowie die Partei „Australia First“. Auch „libertäre“ Richtungen des angelsächsischen Kulturkreises sind nicht mit dem platten Neoliberalismus unsere Pappnasen-Liberalen von der FDP zu vergleichen -sie treten teilweise wirklich für Bürgerrechte ein -nicht nur die für die „Freiheit der fetten Bankkonten“.
Andere erklärten, solche wahltaktischen Spiele und Abmachungen stünden im Gegensatz zu den Parteizielen und führten zu einer Zerreißprobe zwischen der Partei und ihrer Basis. Mit demschwer enttäuschten Daniel Mathews trat sogar ein Mitglied des Parteirats zurück, das eine lange Freundschaft mit Assange verbindet – und schon an der Gründung der Whistleblower-Plattform Wikileaks mit beteiligt war.