Wahlen nach den Anschlägen von Manchester und London

Jeremy Corbyn: Labour macht wieder soziale Politik

Gerry Drivebycastle

Trotz der Anschläge von Manchester und London: Unerwartet für die regierenden Konservativen unter Theresa May entwickelt sich derzeit die Stimmung für die anstehende britische Parlamentswahl: In den Umfragen dreht sich der Wind zugunsten der Labour-Party und von Parteiführer Corbyn. Ein Rechtsruck der Wähler durch Angst vor Terror scheint auszubleiben. Hat man die Rechten und ihre mit Angstpolitik gedeckten Raubzüge im Sozialstaat satt? Ist womöglich die perfide Gladio-Masche gescheitert? Beendet Jeremy Corbyn nun endlich die neoliberale Ausbeutungspolitik an Armen, Kranken, Jungen, Alten, Studenten und Mietern?

Das hätte Staatschefin May nicht gedacht: Als sie putschartigen vorgezogene Neuwahlen durchsetzte, standen die Umfragewerte für Corbyn miserabel. Die Labourparty litt unter einem mehrstelligen und (scheinbar) unaufholbaren Rückstand. Darauf hatte die konservative May spekuliert und ihr mehrfach gegebenes Versprechen, das Parlament nicht aufzulösen, bei der ersten Gelegenheit gebrochen. Sie schielt damit auf die Möglichkeit, politischen Profit aus der ihrer starken Stellung im Britischen System zu ziehen. Kann gerade in der Hochburg des Neoliberalismus, in London, der Trend nach Rechts in Europa gestoppt werden?

Corbyn: Linkswende der Labour-Party

Labour hatte in einem Anfang Mai unter Corbyns Federführung verkündeten Wahl-Manifest eine sensationelle Linkswende vollzogen. Der Partei des Irak-Kriegers Tony Blair, der einen neoliberalen Kurs als „New Labour“ verkaufte und damit Rotgrün unter Schröder eine Vorlage für ihr Hartz-IV-Regime lieferte, hatte man dies kaum noch zugetraut. Es liest sich wie eine verbesserte Version dessen, was Bernie Sanders in den USA gemacht hätte, wenn ihn das Hillary-Clinton-Establishment nicht mit kriminellen Mitteln im Vorwahlkampf abgeschossen hätte.

Die Ankündigung der Rettung der kaputtgesparten staatlichen Gesundheitsfürsorge (NHS) durch 6 Mia. Pfund jährlich, Abschaffung der unverschämt hohen Studiengebühren (die im Land zu erbärmlichen Bildungsquoten führten), 100.000 Sozialwohnungen und 1 Mio. Wohneinheiten insgesamt (um die Katastrophe im Wohnsektor abzuwenden), Mietpreisbremse, ein dem National Health Service nachempfundener Nationaler Bildungsservice mit Kita-, Schul- und Studienplätzen, Rücknahme diverser Privatisierungen in Energie- und Verkehr, z.B. der Bahn und Post (das wurmt die Tories besonders, findet aber eine Mehrheit unter den Briten).

Jeremy Corbyn, 2016 Labour Party Conference 6.jpgObgleich die Medien dieses Programm weitgehend totzuschweigen oder mit platten „Wer soll das alles bezahlen?!“-Parolen mies zu machen versuchen, hat Corbyn damit unerwartet stark aufgeholt. Labour liegt insbesondere bei jüngeren Generationen uneinholbar vorn mit einem Vorsprung von 57% unter den Wählern zwischen 18 und 25. Auch bei den 25-49-jährigen hat Labour nun einen Vorsprung von 10% (44% zu 34%). Fraglich bleibt deren Wahlbeteiligung, die in den Umfragen zwischen 50 – 80% gesehen wird. Die geplante Abschaffung der Studiengebühren könnte bis zur Wahl allerdings auch die jungen Wähler stärker motiviert haben.
Sollte Corbyn, der von der eigenen, von alten Blairisten dominierten Parlamentsfraktion abgelehnt wird und eine durchweg negative Presse erhält, seine Aufholjagd weiter fortsetzen, könnte er die Fortsetzung der konservativen Regierung unter Theresa May ernsthaft infrage stellen, so der Independent.
Tories spekulieren auf entmutigte Jugend
Den Konservativen bleibt dann nur die Hoffnung einer geringen Wahlbeteiligung der jüngeren Generationen, die sie jahrzehntelang entpolitisiert, verdummt und in Angst um eine berufliche Zukunft gehalten haben -bei der Brexit-Abstimmung blieb die Jugend daher mehrheitlich zu Hause.
Somit tritt mit Corbyn ein Labour-Chef an, der einen echten Politikwechsel nach links, für eine soziale und pazifistische Politik anstrebt und sich in der Vergangenheit als nicht-korrumpierbar zeigte: seit seiner Wahl als Parteiführer hatte sich die Mitgliederzahl von Labour, die vorher dahin geschmolzen war, mehr als verdoppelt, innerhalb von weniger als 2 Jahren. Auch alle Versuche der großen Medien, Corbyn zu boykottieren, ihn als unseriös, als unwählbar darzustellen, konnten ihn nicht ausbremsen.
Die Terrorattentate von Manchester und London kamen nur scheinbar für Theresa May zur rechten Zeit. Normalerweise stärken Terror und Angst das rechte politische Spektrum, weil es besser auf der Klaviatur von Angst, Hass und Wut gegen (vermeintlich) Schuldige spielen kann. Doch diesmal schadeten die Attentate unerwartet der konservativen Regierung selbst, weil sich herausstellte, dass der MI5-Geheimdienst nachlässig bzw. inkonsequent agierte. Und weil Labour unter Corbyn erfolgreich anprangern konnte, dass die Rechtsregierungen in ihrer Steuersenkungs- und Sozialsparwut zur Reichtums-Maximierung der Superreichen nicht nur den Sozialstaat ausgeblutet hatten, sondern auch die Polizei: Da hatten sie 20.000 Polizisten-Stellen gestrichen.

Gladio2.0 in Manchester?
Bei den scheinbar genau zur Wahl aufflammenden Terror-Attacken stellt sich aber auch noch eine weitere, entsetzliche Frage: Wer hat sie wirklich eingefädelt? Westliche Geheimdienste des Deep State haben die Fähigkeit, junge Moslems zu manipulieren, zur Gewalt aufzuhetzen und für Terror zu instrumentalisieren zur Meisterschaft entwickelt. Der Ex-MI6-Agent John Le Carré hat in seinem Thriller „Marionetten“ ein realistisches Szenario gezeichnet, wie so etwas heute aussehen könnte.

Und schon in der Vergangenheit, mit vergleichsweise primitiven Mitteln, hatten Nato-Geheimdienstler mit Terroranschlägen Wahlen manipuliert: In Italien, Belgien und Luxemburg war das Wirken der geheimer Nato-Truppen, „Stay-behind“- oder Gladio genannt, bekannt geworden: Terror gegen das eigene Land mit der Absicht eine günstige Stimmung für konservative bzw. rechte Parteien mit einem Law-and-Order-Programm herzustellen. Oft hat dies leider geklappt und das politische Spektrum der Länder nach rechts verschoben.

4 Gedanken zu “Wahlen nach den Anschlägen von Manchester und London

  1. An der reaktionären Hetze gegen Corbyn und „New Social Labour“ beteiligt sich leider auch das altlinke Politmagazin „Blätter für dt. u. int. Politik“ („Die Blätter“ genannt). Dort durfte der deutschstämmige Politiikprofessor Michael R. Krätke der für seine neoliberale Blairistische Ideologie mit einem Lehrstuhl der University of Lancaster belohnt wurde, ungehemmt gegen Corbyn geifern: Er übernimmt dabei ohne Begründungen die Hetzparolen des Mainstreams und lässt kein gutes Haar an Corbyns Politik -besonders ärgert ihn dessen positive Haltung zum Brexit, was er als Verrat an der EU empfindet -ohne zu kapieren oder zugeben zu wollen, dass die EU sich selbst durch ihre marktradikal-neoliberale Ausbeutungspolitik (besonders, aber nicht nur in Südeuropa) selbst entzaubert hat -wie auch durch ihre militaristische Kriegspolitik als treudoofer Vasall an der Seite der USA. Hundertausende Tote in Osteuropa, Millionen in der islamischen Welt. Das Friedensprojekt EU ist ebenso tot, wie das Versprechen von gerechter Verteilung des Wohlstands -wenn der oberste Steuerhinterzieher-Helfer Juncker schon aus seiner Steueroase Luxemburg direkt zum EU-Chef befördert wurde, zeigt das: Die EU hat in Brüssel ein Lobbyisten-Nest, das nur noch Interessen der Konzerne und Superreichen vertritt. Warum sollte Corbyn ein Fan davon sein, Herr Professor Krätke??!

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