Bommeleeër: Gladio und das Allied Clandestine Committee (ACC)

Gerd R. Rueger Gladio_Logo

Luxemburg. Im Kalten Kriegs unterhielt die NATO bekanntlich eine Geheimarmee namens “Gladio”, die sogenannten Stay-Behind-Einheiten. Es handelte sich um paramilitärisch ausgebildete “Zivilisten”, oft aus rechtsextremen Gruppen rekrutiert, die im Kriegsfall einen Guerillakrieg organisieren sollten, nachdem die Rote Armee sie überrollt haben würde. Gladios Aufgabe: Hinterhalte, Spionage, Sabotage, eben “Bombenleger” (luxemburg. “Bommeleeër”) hinter den feindlichen Linien. In Luxemburg hatten vermutlich einige dieser Leute ihre bombigen Fähigkeiten für Anschläge auf Strommasten etc. genutzt, um höhere Aufwendungen des friedlichen Kleinstaates für die Polizeitruppen zu erzwingen. Diese um ihre Finanzierung besorgten Polizisten verwiesen, als sie für die nur Sachschaden bewirkenden Attentate angeklagt wurden, zwecks Selbstverteidigung auf ihre Tätigkeiten bei “Stay-behind”. Bei der Aufdeckung vor Gericht kamen auch Neuigkeiten über Gladio ans Licht, wobei die Geheimdienstler durch ein undurchsichtiges Netz von Desinformationen offenbar Verwirrung stiften wollen. Der langjährige Regierungschef und Ober-Eurokrat Juncker stürzte über die Gladio-Affäre.

Gladio im Zeugenstand: Luxemburger packen aus

Bis zum heutigen Tag hält die NATO immer noch alle Unterlagen über “Stay Behind” bzw. Gladio zurück, obwohl die Truppen angeblich aufgelöst wurden. Im Luxemburger “Bommeleeër”-Prozess wurde erstmals enthüllt, dass die eigentlich national organisierten Stay-Behind-Einheiten auch länderübergreifend trainierten. Neun geheime Handbücher des “Allied Clandestine Comitee” (AAC) gaben den undercover operierenden Paramilitärs ihre Rahmen vor, man studierte sie beim Luxemburger Geheimdienst SREL, wie Jean Kuffer alias Agent “HH” vor Gericht darlegte. Kuffer berichtete über die Funktionsweise des Luxemburger Stay-Behind-Ablegers “Plan” aus. Jean Kuffer kam 1976 als ehemaliger Ingenieur der Post zum SREL, wo er folglich für die (Abhör-?) Technik zuständig war. Ein gutes Drittel seiner Arbeit beim Srel machte aber, so das Luxemburger Wort, etwas ganz anderes aus: Er war als “HH” Ausbilder und Agentenführer im Stay-Behind-Netzwerk. Sogar in Westdeutschland absolvierte Jean Kuffer einen Lehrgang zur Lauschabwehr, so tp, zu seinen Kollegen gehörte auch “GG”, der spätere Luxemburger Geheimdienstchef Charle Hoffmann.

Im April 1977 sei Kuffer zur Ausbildung gemeinsam mit einem weiteren SREL-Agenten und zwei Belgiern nach Großbritannien geschickt worden, erklärte er vor der Kriminalkammer. Zum Lehrstoff des Stay-Behind-Netzwerks hätten Luftmarkierungen mit Taschenlampen und auch die Informationsbeschaffung durch Lauschen gehört, so die wenig aufsehenerregenden Einlassungen des Zeugen. Einen halben Tag lang habe man den Agenten Sabotagetaktiken vorgeführt, von der Sprengwirkung einer Briefbombe bis zum Werfen einer Brandbombe.

Stay-Behind-Mitglieder habe Kuffer selbst nie angeworben, er habe aber neu angeworbene Agenten in Kommunikationstechniken ausgebildet und ihnen beigebracht, wie man “Kunden” in- oder exfiltriere. Im Feldeinsatz habe er den Agenten gezeigt, wie man heimlich eine Landesgrenze überschreitet und sich unauffällig in besetztem Gebiet fortbewegt, Waffenbesitz war dabei angeblich ein absolutes Tabu. Nach dem Waffenlager des Luxemburger Stay Behind habe man dann bei der Auflösung 1990 auch lange suchen müssen, drei Kisten mit Handgranaten, Maschinenpistolen und Handfeuerwaffen habe man ausgegraben. Dann habe man das “operative Material” bei den Agenten einkassiert und das Netzwerk bei den ausländischen Partnern (wohl den Briten?) abgemeldet. Spannend war Kuffers Erinnerung an die Stimmung bei der Geheimtruppe: Damals hätte es eine regelrechte Panik gegeben. Es sei von Todeslisten im Zusammenhang mit Stay Behind die Rede gewesen, einige befürchteten, ihr Kopf würde wegen Gladio rollen müssen, so das Luxemburger Wort. Heute ist man offensichtlich entspannter.

Enthüllungen kriminalisiert?

Der Verteidigung wurde vorgeworfen, geheime Informationen auszuplaudern, die man sich überdies illegal besorgt habe. “Wird hier der Verteidigung der Prozess gemacht?”, empörte sich Rechtsanwalt Vogel laut Luxemburger Wort daraufhin. “Die Rechte der Verteidigung stehen über einem idiotischen Geheimdienstgesetz!”

Als “top secret” eingestuften Dokumente seien, wie RA Vogel selbst eingeräumt hatte, von den SREL-Agenten Schneider und Kemmer illegalerweise an die Verteidigung weitergegeben worden. Außerdem habe auch der damalige Geheimagent Roger Mandé Informationen an RA Vogel weitergegeben. Kemmer berufe sich aber auf Dokumente über Gladio-Gründer Liccio Gelli, eine BBC-Reportage, in welcher der belgische Ex-Söldner und Enthüllungsautor Lucien Dislaire zu Wort gekommen sei, und die Bücher von Daniele Ganser.

Geschredderte Unterlagen und Gedächtnislücken

Leider sind viele Dokumente, die Licht in die dunkle Angelegenheit bringen könnten, beim SREL nicht mehr auffindbar. Aus dem Gerichts-Protokoll laut Luxemburger Tageblatt:

Kuffer: Bei allen bilateralen Übungen sind mindestens sieben Schreiben hin und her gegangen. Der Verteidigung reichen die Antworten des Zeugen nicht.

RA Vogel: Warum gibt es kein Inventar über Schredderaktionen. Santer fürchtete um seinen Kopf, darum wurde geschreddert.

Richterin Conter: Natürlich stellt sich hier die Frage, was da genau geschreddert wurde. Jean Kuffer hat keine Antwort dafür.

Richterin Conter: Wer gab die Anordnung zum Schreddern?

Kuffer: Ich habe jede Woche meinen Papiermülleimer im Büro geschreddert. Das war normal. Ob es Order gab, Stay Behind-Unterlagen zu schreddern, weiß ich nicht mehr.

Wappen Luxemburgs

Wappen Luxemburgs

Mühsam bleibt die Wahrheitsfindung. Die Mainstream-Medien tragen auch nur ungern etwas dazu bei: Auf ihrer Website präsentierte die Tagessschau im letzten Oktober nach Junckers Sturz wenig Erhellendes. Nach dem ellenlangen, aber völlig nichtssagenden Juncker-Bericht nur einen einzigen weiterführenden Link, der mit der Bombenleger-Affäre zu tun hat. Dort erfährt man jedoch ebenfalls nichts über Gladio, geschweige denn über die Aussagen des Zeugen Kramer, der über die BND-Verwicklung seines verstorbenen Vaters mit Gladio und dem Anschlag auf das Münchner Oktoberfest 1981 berichtete. Nichts über die hier schon am 1.Mai dokumentierte Bommeleeer-Gladio-Affäre: 20 Gladio-Bombenanschläge auf Sendemasten und Hochspannungsleitungen in den Jahren 1984-86. SREL-Chef Charles Hoffmann hatte 1985 die Stay-Behind (Gladio)-Manöver beim damaligen Staatsminister Jacques Santer wohl genehmigt bekommen. Ziel: Die Untaten Linksextremisten in die Schuhe schieben, um Stimmung für die Rechtspopulisten Westeuropas zu machen (z.B. die CDU unter Kohl). Und der deutsche BND war immer mittendrin.

 

 

Ein Gedanke zu “Bommeleeër: Gladio und das Allied Clandestine Committee (ACC)

Hinterlasse einen Kommentar