Der Fall Omran: Macht sich ZAPP zur Kriegspartei in der Medienschlacht um Aleppo?

Omran: Bilder als Propaganda gegen Assad

Daniela Lobmueh

Das Medienmagazin ZAPP ist gut darin, die Boulevardpresse zu kritisieren. Aber wenn es um kritisches Bewusstsein in Fragen von Krieg und Frieden geht, enttäuscht es uns. Anfang Juli kam ein Beitrag, in dem der Fall Omran, es berühmten Jungen aus Aleppo, aufgegriffen wurde. Westmedien hatten das Bild während der Schlacht um Aleppo gegen Assad und Putin als Beispiel für inhumane Kriegsführung ins Feld geführt -basierend auf zweifelhaften Quellen. RT Deutsch, der von Putin finanzierte Sender Russlands hatte jetzt den kleinen Omran aufgespürt und Bilder von seinem heute, nach der Befreiung Aleppos, friedlichen Leben gebracht. Omrans Vater beklagt sich darin, die Leute vom „Aleppo Media Center“ hätten im Krieg Omrans Bilder zu Propagandazwecken missbraucht. ZAPP hatte im Gegenzug den Kameramann aufgespürt, der von Omran die in Westmedien gezeigten Videos gemacht hatte, und jetzt behauptet, die Aussagen von Omrans Vater in RT wären unter Druck des Assad-Regimes entstanden.

ZAPP sucht weder nach Belegen oder Widerlegungen der einen noch der anderen Aussage, dreht die Darstellung aber so hin, dass die Seite des „Aleppo Media Center“ als glaubhaft, die RT-Version dagegen als Propaganda erscheint, die Omran „missbraucht“ (ZAPP). Dabei lässt ZAPP die inzwischen aufgekommene gravierende Kritik am „Aleppo Media Center“ weg. ZAPP drängt statt dessen seinen Zuschauern immer wieder suggestiv deren Bilder von Omran auf, während die Gegenpropaganda von RT nur knapp gezeigt und gleich unglaubhaft gemacht wird; ZAPP: „Wir sprechen mit dem Kameramann, der diese Bilder damals filmte. Nichts sei inszeniert, sagt er, vielmehr wurde der Vater heute von der syrischen Regierung unter Druck gesetzt.“ Der Kameramann, Mustafa Al Sarout, sagt: „Natürlich gibt es den Beweis, das Video, die Fotos und all die Leute die dort waren, da sind Zeugen vor Ort gewesen, da waren Reporter vor Ort, Sie wissen, dass es nichts gibt, was man in Aleppo verheimlichen kann.“

Andere, von ZAPP nicht zitierte Beobachter meinen jedoch, dass in Aleppo gerade im Fall Omran allerhand verheimlicht wurde -was auch jetzt von ZAPP verheimlicht wird. So gab es neben den Videos von Omran auch Fotos, die weit mehr durch die Westmedien gingen. Der Fotograf hieß Mahmud Raslan und seine Beziehungen zu den Dschihadisten, die damals Ostaleppo in ihrer Gewalt hatten, gaben Anlass zu Zweifel an seiner Neutralität. Nahost-Experte Michael Lüders schreibt dazu in seinem neuen Syrien-Buch:

Der Fotograf heißt Mahmud Raslan. Er hatte kurz vor der Aufnahme Omrans ein Selfie geposted, das ihn grinsend mit Angehörigen der Dschihadistenmiliz ‚Harakat Nur al-Din as-Sanki‘ zeigte. Darunter die beiden Männer, die zweifelsfrei vier Wochen zuvor den zwölfjährigen Abdallah Isa für ein Propagandavideo geköpft hatten. Raslan arbeitet für das  ‚Aleppo Media Center‘, das westlichen Medien in den monatelangen Kämpfen um Aleppo als wichtige Informationsquelle diente. Offiziell handelt es sich dabei um ein ‚unabhängiges Netzwerk‘ von ‚Bürgerjournalisten‘, mit  einer klar regimefeindlichen Haltung, gut vernetzt mit Dschihadisten. Finanziert wird es maßgeblich vom französischen Außenministerium, auch aus Washington, London und Brüssel erhält das ‚Center‘ Geld. (M.Lüders 2017, S.9f.)

Michael Lüders wird wegen seiner auch dem Westen gegenüber kritischen Haltung hart attackiert, etwa von „ARD-Faktencheck“ (Kritiker sprechen von ARD-Faktenschreck). Aber nicht nur Lüders brachte die Story vom Aleppo Medien Center-Fotografen Raslan als Buddy übelster Mörder-Dschihadisten. Auch z.B. die Süddeutsche Zeitung hatte davon gehört, obwohl sie mit ihrem Atlantiker Stefan Cornelius treu an der Seite der Nato-Kriegspartei steht. Die SZ überschrieb die Raslan-Story jedoch mit „Assads Unterstützer wittern eine Inszenierung“ und stellt Raslan-Kritiker damit in eine Ecke mit Assad, zusätzlich behauptete die SZ noch, die Verwicklung Raslans mit den Nusra-Terroristen ziehe „die Echtheit“ des Fotos vom kleinen Omran „nicht in Zweifel“. Wirklich nicht? Oder wäre ein zu Propagandazwecken gestelltes Foto für die SZ dann eben ein „echtes“ gestelltes Foto?

Indem ZAPP statt des Omran-Fotografen Raslan den Omran-Videofilmer Saroud interviewt, vermeidet es schlau diese skandalöse Hintergrundinformation, welche die Westmedien-Darstellung des Falles Omran, anders als die SZ ohne Begründung behauptet, durchaus in Frage stellt. ZAPP kennt auch keine Kritik an denen, die sich im Fall Omran damals als Helden von Aleppo feiern ließen: Den ominösen Weißhelmen. Die 2013 vom britischen Militärberater James Le Mesurier (Ex-MI6-Agent) gegründete Zivilschutzorganisation „White Helmets“ mit Sitz in London, wird vom Westen finanziert und ist nicht mit anderen Rettungsorganisationen assoziiert. Prof. Günter Meyer zufolge berichten die mit dem Alternativen Friedensnobelpreis geschmückten Weißhelme zwar die Verbrechen des Assad-Regimes, nicht aber die der Kämpfer gegen Assad. Laut Meyer sind sie daher vor allem ein Propagandainstrument. Wie Telepolis berichtet, hat etwa die britische Regierung Millionen in den Aufbau freier syrischer Social Media-Aktivisten der „White Helmets“ investiert, die wie gerufen das westliche Narrativ bedienen.

ZAPP: Putin missbraucht kleinen Jungen

Omran bei ZAPP und Omran heute bei RT

Einem von ZAPP herbeizitierten „Medienexperten“ wird abschließend noch das Wort im Mund umgedreht. Während dieser Experte zutreffend zu Bildern von Omran sagt: „Die Medien haben dieses Bild damals zu einer Ikone des Krieges gemacht. Was wir hier erleben ist, dass der Spieß umgedreht wird, dass jetzt von der anderen Seite versucht wird, das Bild für eigene Zwecke zu gebrauchen.“

Flugs macht ZAPP aus dem „gebrauchen“ einen „Missbrauch“ -natürlich durch RT Deutsch, ZAPP: „Das Bild eines Kindes im Krieg, ein Jahr nach dem es entstanden ist: Missbraucht im Kampf um die Deutungshoheit“.  Von den drei Minuten des ZAPP-Berichts waren fast zwei Minuten lang die  Propagandabilder des Aleppo Media Center bzw. dessen Kameramann Saroud zu sehen, nur wenige Sekunden und mit abwertenden Kommentaren die Omran-Bilder von RT. Die hier nicht allzu medienkritische Sendung ZAPP treibt damit eine in Westmedien verbreitete Mediendarstellung weiter, die Lüders so beschreibt:

Kaum war der Kampf um Aleppo im August 2016 voll entbrannt, wies die Berichterstattung, von Ausnahmen abgesehen, in nur eine Richtung. Apokalypse Now, unterfüttert von erschütternden Bildern. Darunter auch jenes eines apathischen kleinen Jungen, Omran… Das Gesicht blutverschmiert und eingestaubt, auf einem Stuhl sitzend. Eine Ikone… US-Außenminister Kerry: „Russland und die syrische Führung haben in Aleppo offenbar die Diplomatie aufgegeben, um einen Sieg über zerfetzte Körper, ausgebombte Krankenhäuser und traumatisierte Kinder hinweg zu erreichen.“ (M.Lüders 2017, S.151ff.)

ZAPP stellt sich hier stramm an die Seite der Kriegspartei USA und deckt deren Kriegspropaganda und Bündnispolitik. Dabei waren die Besatzer von Ostaleppo wohl eher nicht die mutigen „gemäßigten Rebellen“, die in den Westmedien immerzu gegen den Diktator Assad kämpften. Vielmehr waren es islamistische Milizen der Nusra-Front, denen ähnlich, die derzeit in Mossul von prowestlichen Truppen bekämpft werden. Während man in Mossul in Westmedien keine traurigen Kinderaugen von Opfern der Kriegsführung sieht, sondern jubelnde Bewohner beim Einzug der Befreier, standen die Tendenzberichte über die Befreiung von Aleppo unter umgekehrtem Vorzeichen. In Mossul hörte man in der ARD, die Dschihadisten würden die Bewohner als „menschliche Schutzschilde“ missbrauchen, in Aleppo nicht. Michael Lüders belegt, dass diese Einseitigkeit nicht von den Fakten gedeckt ist, wenn er über die Schlacht um Ostaleppo schreibt:

Flüchten konnten die Bewohner kaum, weil sie den Dschihadisten als lebende Schutzschilde dienten. Wer es trotzdem versuchte, riskierte, erschossen zu werden… Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, … warf den Nusra-Kämpfern vor, Ost-Aleppo in Geiselhaft genommen zu haben... (M.Lüders 2017, S.151ff.)

Fazit: Statt für Tausende Euros ein Filmteam zum Interview eines mutmaßlichen Al-Nusra-Sympathisanten vom zweifelhaften „Aleppo Media Center“ zu entsenden, hätte man besser für 12,95 Euro das Buch von Lüders erworben. Aber dann wäre kein Tendenzbericht pro US-Kriegsführung in Nahost entstanden bzw. contra RT Deutsch.

In jedem Krieg leiden Kinder, besonders wenn in Städten mit schweren Waffen gekämpft wird wie in Aleppo und Mossul. Jeder weiß heute, dass moderne Kriege auch Medienkriege sind, Kriege der Bilder, und Bilder vom Leiden der Kinder sind besonders wirksam. Bilder von großen traurigen Kinderaugen wecken starkes Mitleid und Abscheu vor dem, der dem Kind das angetan hat,  sie sind daher extrem manipulativ und geeignet für Propaganda. Das kann Propaganda gegen den Krieg sein oder Propaganda gegen den Feind. Im ersten Fall hilft es vielleicht, den Krieg zu beenden, wenn etwa ein von Napalm verbranntes Mädchen in dem Land im Fernsehen gezeigt wird, dessen Armee das Napalm abgeworfen hat. Zur Propaganda gegen den Feind wird das Bild eines kleinen Jungen nach einem Bombenangriff, wenn es in dem Land gezeigt wird, das sich zum Angriff auf den rüstet, der dem Kind das angetan hat. Vor dem soll man Abscheu empfinden und Krieg gegen ihn befürworten, was wahrscheinlich  zu mehr Krieg und mehr Bomben auf Kinder führen wird.

ZAPP zeigt ausgiebig Bilder, die Abscheu gegen Assad wecken sollen, und wendet sich gegen die RT-Bilder, die diese Abscheu durch Bilder des von Assad geretteten Omran wieder zu mildern syrien_aleppo_zitadelleversuchen. ZAPP weiß, dass derzeit die USA unter Trump erwägen, völkerrechtswidrig in den Syrienkrieg einzugreifen (wo die Russen legal einem ihnen verbündeten Regime helfen). Die heroische Selbststilisierung von ZAPP: Sich zum Verteidiger des kleinen Omran zu machen, der von den anderen (den Russen) in einer Propagandaschlacht missbraucht wird. Aber statt Medienkritik zu üben, ergreift ZAPP Kriegspartei in unverantwortlichem Spiel mit dem Feuer einer Großmacht-Konfrontation.

Zapp-Beitrag zu Omran und RTdeusch „Syrisches Kriegsfoto: Kampf um die Deutungshoheit“

https://www.youtube.com/watch?v=_gPOs0MeXpY

Material: Michael Lüders (2017) Die den Sturm erneten

7 Gedanken zu “Der Fall Omran: Macht sich ZAPP zur Kriegspartei in der Medienschlacht um Aleppo?

  1. Der ZAPP-Zeuge Saoud machte gemeinsam mit Fotograf Raslan Bilder von Omran -beide waren im Propagandateam der Whitehelmets. Also waren vermutlich auch beide Kumpels dieses Kopfabschneiders der Aleppo-Dschihadisten. Ergo: ZAPP d.h. die ARD macht sich (und damit die GEZ-Gebührenzahler) zum nützlichen Idioten und Komplizen einer terroristischen Mörderbande bei ihrer extrem manipulativen Propaganda gegen Assad und Putin.
    Wenn ZAPP dabei auch noch Putins RTdt. vorwirft, DIE würden Omran „missbrauchen“ zu Propagandazwecken -dann ist das Heuchelei hoch zwei.

    • Und wie die ZAPP-Truppe da aus dem (von einem übrigens reichlich nichtssagenden, was der brabbelte war eigentlich nur eine Binsenweisheit-Expertise) Experten-Wort „gebrauchen“ ihr wahrhaft Goebbels-Preis-verdächtiges „Missbraucht“ gemacht hat… widerwärtig!
      Eigentlich hatte der Experte gesagt, erst hat die ARD-Westmedien-Truppe Omran für ihre Zwecke „gebraucht“, jetzt „gebraucht“ Putins Propaganda-Truppe eben die Bilder von Omran.
      Wenn ZAPP das eine, das russische natürlich, „Missbrauch“ nennt und das andere seinen (von denen offenbar für reichlich verblödet gehaltenen) Zuschauern penetrant als „die wahre Story des kleinen Omran“ aufdrängt, ist das wohl selbst der übelste Missbrauch der Kinderbilder.

  2. Nur zur Erinnerung: DIe ARD-Tendenzberichterstattung zu Aleppo wurde hier schon zeitnah mit syrischen Zeugen widerlegt (Quelle: Telepolis, das einzige größere Massenmedium in Deutschland, das die Nato-Propaganda nicht mitgemacht hat):
    Sami Al-Akhras berichtet von dem Leid, dass die Menschen in der syrischen Millionenstadt erfasst hat: Die Nusra-Terroristen saßen auf den Hilfslieferungen und den Wasserquellen, erpressten die Bevölkerung und missbrauchten sie als menschliche Schutzschilde (ein Wort, dass der ARD sehr vorschnell über die Lippen kommt, wo immer Obamas Bomben fallen).
    „Aleppo ist jetzt wiedervereint. So wie es vor dem Krieg war und so wie es sein sollte. Schande über fast alle westlichen Medien, ich kann nicht glauben, wie sie die Realität verleugnen! … Ich wünschte, ihr könntet sehen, wie die Menschen in Aleppo nach der Befreiung feierten. Aber was kümmert uns die Meinung des Westens. Unsere geliebte Stadt ist wiedervereint, und das ist alles, was zählt.“ Ayham Jabr

    • Die unverschämte und laut Staatsvertrag den öff-rechtsdrehenden Sendeanstalten verbotene Tendenzberichterstattung ist mal wieder frappierend -und hier eindeutig belegt! Soll man die ARD privatisieren? Nützt ja auch nix. Vor dem Sendehaus demonstrieren und den Damen und Herren JournalistInnen diesen Artikel als Flugblatt in die Hand drücken?

  3. Kinder weinen nur, wenn Bomben sind von bose Assad und bad guy Putin, die ihre Mom zerfetzen. Sind Bomben von USA, dann schwenken kleine Fahne mit Stars&Stripes, und jubeln wie in Mosul

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