SZ: Entpolitisierte Presse will Star Wars statt Monty Python

Nora Drenalin & Gerd R. Rueger 15.05.2013

Die ehemals linksliberale deutsche Presse unterliegt auch im Kulturteil immer mehr Entpolitisierung und Niveau-Limbo. In einem Bericht über Filmdrehorte in Tunesien schwelgte die SZ in Star Wars von George Lucas, kannte aber nicht den filmgeschichtlich wie politisch viel bedeutsameren Film Monty Python’s Life of Brian. War der Python-Film der SZ zu anarchistisch, zu links, zu brisant im Eintreten für Kunst- und Meinungsfreiheit? Und wichtiger noch für das hiesige Pressewesen: Ob Anpasserei ans neoliberale Infotainment sich am Ende wirklich lohnt?

Cineasmus in Tunesien fürs enthirnte deutsche Besitzbürgertum: Die Süddeutsche brachte einen hirnlosen, langatmigen Bericht über Film-Drehorte in Tunesien. Schwerpunkt war natürlich George Lucas „Star Wars“-Saga (R2D2, C3PO, Jedi-Ritter & Prinzesschen im Weltall, also Star Trek für geistig Arme). In den USA fühlen sich scheinbar besonders die reaktionären Republikaner diesem SF-Epos verbunden.

„So muss sich Luke Skywalker im Cabrio-Gleiter bei den Ausflügen über seinen staubigen Heimatplaneten Tatooine gefühlt haben. Als würden die Räder den Sand nicht berühren, saust der Geländewagen durch die Wüste. Die Passagiere schließen in freudiger Furcht die Augen, wenn der Fahrer Kerim wie ein Rallye-Pilot auf eine Dünenkante zuschießt, ohne zu sehen, was dahinter kommt. Aber wer sollte einem schon entgegenkommen mitten in der Wüste Tunesiens?“  Michael Zirnstein in Süddeutsche

Humor und Anarchie sind nicht die Sache von Luke Skywalker und auch nicht der SZ. Kulturtourismus und die Weisheit von Obi Wan Kenobi genügen dort offenbar. Immerhin kennt Zirnstein auch Karl May (früher kannten SZ-Feuilletonisten sogar Karl Marx):

„Die Weite,  die Leere,  das Knirschen, die Hitze und die Gefahren der Wüste,  all das inspirierte schon den sächsischen Wohnzimmer-Abenteurer Karl May – lang bevor er selbst einen Fuß in den heißen Sand setzte. Der Anfang seines Romans  „Durch die Wüste“  spielt im Djerid, dem Dünenland mit seinen vier Oasen Tozeur,  Nefta,  El Hamma und  El Oudiane im Herzen Tunesiens.“   Michael Zirnstein in Süddeutsche

SZ: Verschwiemeltes Feuilletongesülze

SZ steht auf Star Wars Infotainment

Der Kulturteil einer bürgerlichen Zeitung steht nicht im Ruf, politisch auf einem besonders klugen Bewusstseinsstand zu sein. Doch ein paar politisch angehauchte Kenntnisse sollten sich dort doch zuweilen finden. Das zäh-verschwiemelte Feuilletongesülze („viele Tunesier konnten die StarWars-Filme noch nie sehen“) zog sich über zwei endlose Seiten, ohne dass der sich dort verbrechelnde Redakteur ein einziges Mal den besten in Tunesien gedrehten Film erwähnte: „Life of Brian“.

Deutsch „Das Leben des Brian“ hieß die unvergessliche Jesus-Christus-Satire, deren Kinovorführung hernach Verboten von Fundamentalisten unterlag -und zwar in vielen US-Bundesstaaten (für Star Wars-Fans: US-Bundesstaaten sind die Bundesländer der USA, d.h. von Amerika). Das Leben des Brian (Originaltitel: Monty Python’s Life of Brian) ist die kulturgeschichtlich bedeutendste Satire der britischen Komikergruppe Monty Python aus dem Jahr 1979. Sie entfachte zahlreiche politische, religiöse, kulturelle und künstlerische Kontroversen, brachte aber keine stumpfsinnige Massenbewegung hirnloser „Fans“ hinter sich, wie Starwars von George Lucas. Dies wohl auch, weil sie hirnloses Mitläufertum, ob nun durch Religion oder wie immer motiviert,  gnadenlos persiflierte und der Lächerlichkeit preisgab.

Monts Python und Wikileaks

Inhalt: Der naive und unauffällige Brian (Graham Chapman), zur gleichen Zeit wie Jesus zwei Häuser weiter in Bethlehem geboren, wird durch Missverständnisse unfreiwillig als Messias verehrt. Seinen vor seinem Haus versammelten stumpfsinnigen Anbetern ruft Brian auf dem Höhepunkt des Films zu: „Und vergesst nicht: Ihr seid alle Individuen!“ Die sich in der Gasse drängende Menge im Chor zurück: „We are all individuals!“

Diesen Part des Films wiederholte Wikileaksgründer Julian Assange auf demJulian Assange Ecuador embassy Balkon der Botschaft Ecuadors in London in Richtung seiner versammelten Anhänger: „Don’t forget: You are all individuals!“ Leider kannten sie den Film nicht oder übersahen sein heftiges Augenzwinkern, sonst wäre das Happening perfekt gewesen.

Weiter im Filminhalt von Life of Brian: Weil er sich gegen die römischen Besatzer engagiert, gerät er zwischen die Fronten der erbittert verfeindeten Widerstandsgruppen „Befreiungsfront für Palästina“ und „Palästinensische Befreiungsfront“, die Zwistigkeiten von marxistischen K-Gruppen der 70er Jahre karikierend. Von römischen Soldaten gefangen, findet Brian schließlich in einer Massenkreuzigung fröhlich pfeifend (Always Look on the Bright Side of Life) sein Ende.

Die Satire zielt laut Wipikedia auf den Dogmatismus religiöser und politischer Gruppen. Insbesondere christliche, aber auch jüdische Vereinigungen reagierten mit scharfen Protesten auf die Veröffentlichung. Die folgenden Aufführungsboykotte und -verbote vor allem in den USA (Bibelbelt), aber auch anderswo fachten Kontroversen um Meinungs- und Kunstfreiheit an. Obwohl der Vorwurf der Blasphemie von praktisch allen Seiten entkräftet Vollbild anzeigenwurde, ist die Satire nach wie vor bei strenggläubigen Christen umstritten. Der in Tunesien gedrehte Film gilt aufgrund seiner rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung als Paradebeispiel für die Reibungspunkte zwischen künstlerischer Meinungsfreiheit und Religionstoleranz. Filmkritiker und die Pythons selbst bezeichnen Monty Python’s Life of Brian aufgrund seiner kohärenten Geschichte und intellektuellen Substanz als das reifste Werk der Komikergruppe. Zahlreiche Umfragen bestätigen den anhaltenden Erfolg beim Publikum. Das Abschlusslied Always Look on the Bright Side of Life wurde sogar weit über den Filmkontext hinaus bekannt -nur scheinbar nicht bis ins Feuilleton der „Qualitäts-Journalisten“-Postille Süddeutsche. Dort übt man sich im seichten Infotainment und schafft mit Jedi-Ritterromantik ein werbefreundliches Klima:

„George Lucas hat sein Dorf zum Filmen mit weiten Fluchten und Lichtschneisen geplant – ideal für Fotosessions in Jediritter-Pose und mitgebrachtem Kostüm. Die beste Anreise ist bei untergehender Sonne: Wenn man im Geländewagen fahrend die Augen etwas zukneift, fliegen die Lichtblitze der Glimmersteine im Sand an einem vorbei wie Sterne im Hyperraumflug.“  Michael Zirnstein in Süddeutsche

Nun ja, nichts gegen etwas nette Berichterstattung über Tunesien. Aber der kommerzielle Charakter des Artikels kommt etwas allzu plakativ daher. Darunter findet sich in der SZ dann passend auch gleich Werbung für Flug und Hotel ins Cineasten-Paradies Tunesien: „Tunisair fliegt von Frankfurt nach Tozeur, hin und zurück ab ca. 400 Euro, tunisair.com. Von dort bietet sich eventuell eine Weiterfahrt mit dem Hotelshuttle oder mit einem Mietwagen bis nach Tamerza oder Nefta an…  Hotel Dar Hi, Quartier Ezzaouia in Nefta, Preis pro Nacht im Doppelzimmer inklusive Vollpension ab ca. 300 Euro, Tel. 00216/21 67 42 98, www.dar-hi.net;

Zielgruppe: Jedenfalls keine Fans von anarchisch-politischem Autorenkino… Star Wars? Da kann man gleich Zombifilme wie Walking Dead gucken. Was für ein Wunder, wenn die pseudo-liberal bis neoliberalen Besitzbürgertums-Blätter pleite gehen (siehe Frankfurter Rundschau). Statt sich ans neoliberale dumpfe Infotainement anzupassen, wären sie doch besser als Liberale alter Schule in Ehren untergegangen, statt sich vorher noch zum Narren zu machen. (Vielleicht wären sie dann ja gar nicht untergegangen?)