Wolfgang Huste: Pazifismus vor der deutschen Justiz

Will die Justiz mit Terminvorverlegung auf 20.9.  Öffentlichkeit verhindern?

Gerd R. Rueger 10.09.2012

Wer gegen Krieg und Faschismus demonstrieren will, hat es nicht leicht in Deutschland.  Wer zu solchen Demonstrationen und Aktionen aufruft, die nicht angemeldet, polizeilich genehmigt und damit legalisiert sind, kann vor einem deutschen Kadi landen. So geht es derzeit dem Linken-Politiker und Blogger  Wolfgang Huste, der zur Blockade einer Neonazi-Demo aufgerufen hatte.

Landgericht Koblenz hat den Gerichtstermin vorverlegt.

Der neue Termin: Donnerstag, 20. September 2012, 9:00 Uhr

(Landgericht Koblenz, Karmeliterstraße 14,  Sitzungssaal 137)

Diese Information erhielt der Angeklagte Wolfgang Huste erst am 7.September. Die Richterin will mit der Terminvorverlegung eventuell die breite Öffentlichkeitsarbeit verhindern, vermutet Huste.  Bei seinem Berufungstermin vor dem Landgericht Koblenz soll geklärt werden, ob der Aufruf zu einer friedlichen Blockade eines genehmigten Aufmarsches von Neonazis eine Straftat, eine Ordnungswidrigkeit oder völlig legal ist.

Für die Legalität sprachen sich sowohl das Oberverwaltungsgericht Hamm als auch der Bundesgerichtshof aus .  Solidarität in Form zahlreichen Erscheinens zum vorverlegten Gerichtstermin könnte eine große Hilfe für den künftigen Widerstand gegen Krieg und Rassismus in unserem Land bedeuten.

Der Blogger Wolfgang Huste war unter anderem Bürgermeisterkandidat der Partei DIE LINKE für Bad Neuenahr–Ahrweiler (2010), Gründer von Attac Rhein-Sieg http://www.attac-netzwerk.de/rhein-sieg/ (März 2008), tätig bei der „Ökologischen Plattform“ in Rheinland-Pfalz, beim freien Bildungswerk SALZ e.V. für Rheinland-Pfalz sowie dem Bündnis für Frieden und Toleranz Remagen und in der Landesarbeitsgemeinschaft Migration, Integration und Antirassismus der Linken.

Sitzblockaden im deutschen Strafrecht

Nach dem deutschen Strafrecht wurde eine Sitzblockade früher immer als Nötigung gewertet, so Wikipedia dazu.  Sitzblockaden galten den Gerichten als „körperliche Gewalt“, weil Autofahrer eine körperliche Blockade als psychisches Hindernis wahrnehmen. Daraus folgte, dass sich Sitzblockierer allein durch ihre bloße Anwesenheit der Nötigung strafbar machten. Diese Rechtsprechung wurde jedoch 1995 durch das Bundesverfassungsgericht  (AZ 1 BvR 718/89) gekippt.

Die Ausweitung des Gewaltbegriffs auf psychische Gewalt verstieß laut Meinung der Richter gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Artikels 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (klare Erkennbarkeit rechtlicher Folgen). Nach Ansicht der Richter ist die Ausdehnung des Gewaltbegriffs auf eine rein psychische Wirkung nicht zulässig, vielmehr kann nur die Anwendung körperlicher Gewalt zu einer Strafbarkeit wegen Nötigung führen.

Aufgrund der Bindungswirkung des höchstrichterlichen Urteils musste sich der Bundesgerichtshof dieser Sichtweise anschließen, so dass in Entscheidungen des BGH die reine Anwendung psychischer Gewalt grundsätzlich nicht mehr als ausreichend für den Straftatbestand der Nötigung angesehen wird. Also auf zum Blockieren wo immer man will? Weit gefehlt -so einfach macht es die scholastische Spitzfindigkeit deutscher Juristen dem Bürger nicht:

Denn die Straffreiheit gilt laut BGH jedoch nur für die Blockade des ersten Fahrzeuges (also in der Regel jenes Fahrzeugs, welches Ziel der Blockade ist, zum Beispiel Castor-Transport, Militärtransport, etc.), nicht aber für nachfolgende Fahrzeuge. Auf die Fahrer dieser Fahrzeuge wirkt insofern körperlicher Zwang, als dass sie das vor ihnen stehende Fahrzeug nicht passieren können. Wenn also im Rahmen einer Sitzblockade mehr als ein Fahrzeug blockiert wird (und wo wäre das nicht der Fall?), kann sich hieraus weiterhin eine strafbare Nötigung ergeben.[1]

Ob hier eine geschickte Blockade genau vor einer Abzweigung, die nachfolgenden Pkw ein Weiterfahren in anderer Richtung erlaubt, Straffreiheit verspricht, liegt im Ermessen des jeweiligen Richters bzw. der Richterin.

Aketten verboten

Eine Sitzblockade, verbunden mit Anketten, Einhaken oder aktivem Widerstand gegen das Wegtragen, werden ohnehin auch vom Bundesverfassungsgericht im Regelfalle als Nötigung nach § 240 des Strafgesetzbuches (StGB) angesehen. Vor allem gilt dies, wenn das darin enthaltene Tatbestandsmerkmal der Gewalt auf Blockadeaktionen angewandt werden kann, „bei denen die Teilnehmer über die durch ihre körperliche Anwesenheit verursachte psychische Einwirkung hinaus eine physische Barriere errichten“,[2] wenn die Blockade also tatsächlich unüberwindbar ist.

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