Madrid: Bankia-Bankster vor Gericht

Galindo Gaznate 07.06.2013 SpanischeFlagge

Madrid. Vom Banker zum Bankster: Gegen fast 100 (Ex-) Bank-Chefs  laufen inzwischen in Spanien polizeiliche Ermittlungen. Der spanische Banker Miguel Blesa, Präsident der Caja Madrid, der diese Woche in Untersuchungshaft genommen wurde, ist einer der wichtigsten Verdächtigen in der spanischen Bankster-Szene. Er soll Hunderte Millionen Euro bei der Bankia-Pleite zu verantworten haben.

Gegen fast 100 (Ex-) Bank-Chefs  laufen inzwischen in Spanien polizeiliche Ermittlungen. Als diese Woche der spanische Banker Miguel Blesa, Präsident der Caja Madrid, in Untersuchungshaft genommen wurde, war er zwar nicht der erste inhaftierte Bankster (wie einige berichteten), aber sicher einer der wichtigsten.

Bereits seit einem halben Jahr sitzt Gerardo Díaz Ferrán in einem Madrider Gefängnis ein. Miguel Blesa und Ferrán gehörten zur Elite der spanischen Banker als 2008 die Finanzkrise kam. Blesa amtierte 13 Jahre lang als Präsident der Caja Madrid, eines der bedeutendsten Kreditinstitute im Land, Ferrán war lange Jahre Mitglied im Verwaltungsrat der Sparkasse und sogar Präsident des Arbeitgeberverbandes. Blesa hatte Ferrán zuletzt noch einen nicht gedeckten Kredit von 26 Millionen Euro gewährt. Eine Anklage wegen betrügerischen Bankrotts im Zusammenhang mit seiner Reisebürokette Marsans brachte Ferrán dann auch hinter Gitter.

Caja Madrid, Bankia, Milliardenpleite

Blesa führte bis 2009 die Caja Madrid, eine der mächtigsten Sparkassen des https://i0.wp.com/www.zoomnews.es/sites/default/files/images/miguel_blesa_ep_261112.jpgLandes, die 2010 in der Bankia-Bank aufging. Bankia wurde 2012 mit einem spektakulären Milliarden-Bailout aus dem Europäischen Rettungsschirm saniert. Noch im Mai durfte Blesa das Gefängnis nach einer Nacht verlassen, weil er 2,5 Millionen Euro als Kaution hinterlegen konnte. Diesmal schloss Ermittlungsrichter Elpidio José Silva aber eine Kaution aus, weil neue erdrückende Hinweise vorliegen -und vermutlich massive Verdunklungsgefahr besteht, wie immer bei Finanzkriminalität.

Es geht nun um den Verbleib von 100 Millionen Dollar, die mitten in der Finanzkrise 2008 im Rahmen des Kaufs der City Bank of Florida beiseite geschafft wurden. Blesa gab dies zwar zu, sagte jedoch nicht, wo das Geld versteckt wurde. Neben Untreue und Urkundenfälschung wird daher jetzt wegen Unterschlagung ermittelt. Bislang ging es der Anklage um das Schlucken der City Bank of Florida. Dies geschah auf Blesas Veranlassung unter „Unregelmäßigkeiten“ und „miserabler Führung“, die in der Caja Madrid dabei Verluste von einer halben Milliarde Euro verursacht hätten:  Nicht einmal „minimal“ seien Solvenz und Überlebensfähigkeit der maroden US-Bank bei der fahrlässigen Übernahme geprüft worden -Blesa hatte beim Kauf der US-Bank Gesetze und Kontrollorgane ausgehebelt. Blesa hatte die US-Bank sogar in zwei Schritten kaufen lassen, damit die Höchstsumme nicht überschritten wurde, ab welcher man sonst die Erlaubnis der Regionalregierung benötigt hätte. Mit viel krimineller Energie wurden also die mickrigen Kontrollmechanismen des Finanzsystems unterlaufen -vermutlich um betrügerische Machenschaften zu verschleiern.

Partida Popular und Banken: Erst ausplündern, dann verstaatlichen

Blesas Nachfolger bei der Caja Madrid wurde 2009 Rodrigo Rato, der ehemalige Wirtschaftsministers der regierenden rechtspopulistischen Volkspartei (PP). Unter ihm wurde die Caja mit anderen Sparkassen zum Finanzmoloch Bankia fusioniert, um 2012 mit Milliardenlöchern in offenbar gefälschten Bilanzen unterzugehen. Madrid musste Bankia als Bad Bank verstaatlichen -die Zeche für die fröhliche Sause der Bankster sollten die einfachen Spanier zahlen. Rodrigo Rato und weitere 38 (!) ehemalige Bankia-Bosse werden jetzt wegen Veruntreuung, Betrug, Kontenfälschung und Preismanipulation im Rahmen des Börsengangs vor Gericht gestellt. Ermittlungsrichter Fernando Andreu klagte inzwischen vier weitere frühere Bankia-Chefs an -es wird bald eng im Madrider Untersuchungsgefängnis. Das wurde auch Zeit -fünf Jahre früher hätte die Staatsanwaltschaft uns damit viele vergaunerte Milliarden erspart -und vielen Menschen die unmenschlichen Zwangsräumungen.

Madrid: Kommt die Spanish Revolution?

Die Saat von Goldman Sachs geht auf

Gerd R. Rueger 26.09.2012

Gestern marschierte ein  Polizeiaufgebot von 1400 Mann vor dem Parlament in Madrid auf. Proteste in mehr als 80 Städten begleiten die Großdemonstration in der Hauptstadt, Motto: „Occupy Congress“ (Parlament), bei der gewaltätige Eingriffe der Polizei bereits mindestens 60 Verletzte forderten.  Die Ordnungskräfte setzten Schlagstöcke, Tränengas und Gummigeschosse gegen die Demonstranten ein, teils offenbar ohne erkennbaren Grund. Die konservative Regierung Rahoy scheint auf Konfrontation zu setzen, vermutlich um die überwiegend linksgerichteten Protestierenden einzuschüchtern und in Misskredit zu bringen.

Heißer Herbst gegen soziale Kälte

Die rechtsgerichtete Regierung Rahoy wird zunehmend als Büttel der Banken und der EU-Troika (EZB, IWF, EU-Kommission) wahrgenommen, genau wie in Athen, wo heute morgen ein Generalstreik begann. Der Präsident der Autonomia (Bundesland) Katalonien, Artur Mas, forderte Neuwahlen, nachdem Rahoy letze Woche Forderungen Barzelonas ablehnte. Die konservative Austerietätspolitik des rigiden Sparens trotz Rezession kann nur tiefer in die Krise führen, meinen Kritiker. Auch Spanien befindet sich immer fester im Zangengriff der Finanzindustrie unter Führung der US-Bank Goldman Sachs.

Dank der „Reformen“ und Spardiktate der erst im November letzten Jahres gewählten Regierung Rajoy ist  die Arbeitslosigkeit explodiert und reißt immer tiefere Löcher ins Staatsbudget. Der neoliberale Plan sieht vor, das Arbeitslosengeld zu kürzen, während die Arbeitgeber sich weiter aus der Sozialversicherung verabschieden dürfen –und das, nachdem der Kündigungsschutz bereits reduziert wurde. Finanzieren soll diese Geldgeschenke an die Arbeitgeber  eine Anhebung der Mehrwertsteuer, die bekanntlich besonders die kleinen Leute trifft.

Die unsozialen Einschnitte bei Bevölkerung, Arbeitenden, Jugend, Bildung und Gesundheit laufen auf eine ungezügelte Ausbeutungspolitik hinaus. Besonders die Jugendarbeitsloigkeit Spaniens (über 50%!) birgt sozialen Sprengstoff. Die Reichen und die Großunternehmen bleiben in der rechtsgerichteten Wirtschaftspolitik ungeschoren. Die Solidarität im Zusammenhalt der Gesellschaft wird damit praktisch aufgekündigt.

Da kommen „die Märkte“ (Goldman Sachs)

Die spanische Misere verschärfte sich im Juni, als „die Finanzmärkte“ ihre Zinsforderungen für spanische Staatsanleihen auf über sieben Prozent hochpuschten -dies gilt als zerstörerische Grenze, jenseits der kein Staat die Zinslast tragen kann. Die Geldknappheit heizte die spanische Bankenkrise, die aus einer Immobilienblase gespeist war, weiter an: Die Sparkasse Bankia musste mit Milliarden gerettet werden. Nach dem EZB-Chef Mario Draghi (ehemals Goldman Sachs) den Ankauf von Bonds (Staatsanleihen) zusicherte, steht der Spekulation gegen den Euro in Form eines gigantischen Schneeball-Systems nichts mehr im Wege. Begonnen hatte dieser Finanzangriff auf den Euro-Raum mit Athen, wo Goldman Sachs jahrelange Vorarbeit beim Aufbau der Staatsverschuldung bzw. deren Vertuschung geleistet hatte.

Bergarbeiterproteste machten den Anfang

In Madrid kam es schon im Juli zu Kämpfen zwischen Bergarbeitern und Polizei, die meisten Proteste blieben damals jedoch friedlich. Rajoy hatte schon in seinem ersten Sparpaket die Subventionen für den Bergbau um 63 Prozent (190 Millionen Euro) gekürzt und damit den Kohlepakt aufgekündigt, was viele der 47 spanischen Kohleminen und mit ihnen ganze Regionen in den Abgrund stürzen könnte. Die gewerkschaftlich gut organisierten Bergarbeiter erscheinen vielen heute anachronistisch, die ganz in den Seifenblasenwelten der Medien- und Finanzindustrie schweben. Aber das Auto, mit dem sie morgens ins Büro fahren, wird immer noch aus Erzen hergestellt, die andere aus dem Gestein schürfen.

Im medialen Finanzkrisen-Alarmismus, der schnell zum Staatsschulden-Alarmismus umfrisiert wurde, wird hierzulande gern so getan, als sei das alles nur Problem mediterranen Schlendrians. Doch das ist nicht nur überheblich und tendenziell rassistisch, sondern auch ebenso vergesslich wie kurzsichtig. Sozialkürzungen, Lohndrückerei und Privatisierung von Gemeineigentum wurde bei uns schon früher durchgesetzt -von den Medien weitgehend vertuscht bzw. als schicksalhafte „Globalisierung“ dargestellt. Vor allem Privatisierungen wurden als Allheilmittel gepriesen -zum Nutzen der Finanzindustrie, der neue Felder für dubiose Spekulationen eröffnet wurden.

Die Medien verschweigen gerne die tiefgehende Entdemokratisierung zu bilanzieren, die mit Privatisierungen verbunden ist. Unter Umständen können sich durch Privatisierung zwar kurzfristige Vorteile ergeben; sie werden jedoch durch die langfristigen Nachteile meist mehr als aufgezehrt. Die Staatsverschuldung, in der Mediendarstellung angeblich wichtigster Grund der Privatisierung, ging nicht zurück, sondern stieg schon vor dem offenen Ausbruch der Finanzkrise stärker an. Vor allem wenn der Staat auf seine Kompetenzen und seine Kontrollmöglichkeiten verzichtet, leidet dabei das Gemeinwohl. In Spanien stehen die Menschen derzeit gegen diese Politik auf und leisten Widerstand. „Die Märkte“ (Goldman Sachs & Friends) werden das nicht mögen, aber es ist gut für die Menschlichkeit in Europa.