EU-Ostkolonien: Moldau vor Maidanisierung?

Gilbert Perry MoldauFlag

Vor sechs Jahren wurde in Moldawien (Republik Moldau) eine prowestliche Regierung an die Macht geputscht –eine kleine Generalrobe für den großen Nachbarn Ukraine. Der Umsturz in Chisinau verlief unblutiger als in Kiew, aber auch mit fatalen Folgen für die Staatsfinanzen. Die moldawischen Liberalen an der Macht klammern sich an Brüssel und entfalten emsig die freien Märkte: Die Finanzkriminalität blüht im armen Moldaustaat in Milliardenhöhe, dank in korrupte Taschen fließender EU-Fördergelder und Weltbankkredite. Jetzt wurden von der prowestlichen Regierung kurz vor ihrer Abwahl auf einen Schlag 15 Prozent des BIP per Kreditbetrug veruntreut. Aber anders als in Athen, wo man ähnlich entstandene Schulden den Sozialisten zu schob, wurden die Liberalen auch noch knapp im Amt bestätigt. Pech gehabt?

Vorige Woche, am 3. Mai 2015, versammelten sich über 10.000 Demonstranten in Chisinau, der MoldawienEuropaHauptstadt der kleinen ärmlichen Republik Moldau, die nur knapp vier Millionen Einwohner zählt. Plakate forderten den Rücktritt der prowestlichen Regierung und die Rückgabe von einer Milliarde Dollar, die durch Regierungskriminalität in dunklen Kanälen verschwanden. Hohe Richter und der Generalstaatsanwalt sollen neben dem Regierungschef in das unerhört zynische Finanzverbrechen verwickelt sein. Auf deutsche Verhältnisse hoch gerechnet wurden sagenhafte 200 Milliarden veruntreut –dennoch schweigen die deutschen Medien betreten über diesen historischen Raubzug, wohl weil die Bezüge zur EU-Osterweiterung allzu offensichtlich sind (die Schweiz weiß mal wieder mehr). Die Proteste in Chisinau kommen spät und sind schwach –man hat Angst vor Nato und EU.

Im November 2014 musste die Moldauische Nationalbank über 10 Milliarden Lei (ca. 500 Millionen Euro) aus Währungsreserven zur Rettung der in den Strudel der Regierungskriminalität gezogenen „Banca de Economii“ investieren. Kritische Medienberichte warnten, die drei Oligarchen Filat, Plahotniuk und Shor steckten hinter der Finanzkrise. Viele Moldawier warteten auf Reaktionen von EU und der Weltbank, die der Regierung von Filat Milliardenkredite gewährt hatten. Doch der Westen blieb wohlwollend gegenüber den Tätern, schließlich hatten sie ihm 2009 im Kleinen eine Generalprobe für die Übernahme der Ukraine geliefert.

In Chisinau kam es 2009 nach Maidan-ähnlichen (aber unblutige) Protesten zur Abwahl der MoldawienKommunisten. Das Land trat unter dem Regime der prowestlichen PLDM (Partidul Liberal Democrat din Moldova) der EU-initiierten Östlichen Partnerschaft bei. Seit Juli 2014 ist Moldawien dank der korrupten Liberalen auch noch durch ein Assoziierungsabkommen mit der EU verbunden. Im April 2015 stellte die moldawische Zentralbank fest, dass die drei größten Banken des Landes faule Kredite im Gesamtumfang von einer Milliarde Dollar ausgereicht hatten: Rund 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Moldawiens war verschwunden.

Wer die Kredite bekam, blieb im Dunkeln. Ein Verdacht liegt aber auf der Hand: Staatschef Vlad Filat, Boss der prowestlichen PLDM, veruntreute mithilfe des Jung-Milliardärs Ilan Shor eine Milliarde US-Dollar. Das Schwarzgeld floss vermutlich in ausländische Finanz-Oasen. Bei den drei am Milliarden-Kreditbetrug beteiligten Geldinstituten, Banca de Economii, Banca Sociala und Unibank, sind etwa ein Drittel der Bankguthaben in Moldawien angelegt, darunter auch Gelder für Pensionszahlungen.

Im Stil westlicher Demokratien sollen offenbar zugunsten von Großkriminellen der Geldelite die Staatsfinanzen ruiniert und Rentner, Arme und das ganze Land dafür verelendet werden. Das griechische Vorbild trifft hier jedoch Menschen, die schon vorher weit unter dem Niveau Südeuropas lebten und die jetzt vor dem Abgrund stehen.

Prowestliche Liberale zockten Staatsknete kurz vor Wahl 2014

Die kriminellen Transaktionen wurden offenbar innerhalb weniger Tage vor den moldawischen Parlamentswahlen im November getätigt. Die liberalen Regierungspolitiker des proeuropäischen Lagers hatten angesichts ihrer Korruptionsaffären und mieser Umfragewerte wohl mit ihrer Abwahl gerechnet. Dank massiver Medienmacht und Propaganda trugen die EU-Freunde dennoch einen knappen Sieg über die kommunistischen und russisch orientierten Parteien davon. Nun sitzen sie selber mit dem von ihnen ruinierten Staatshaushalt da und hätten eigentlich den Generalstaatsanwalt im Nacken –wenn er nicht ihr Amigo wäre.

Die Liberalen, die sich 2009 an die Macht gekommen zunächst noch an einer Zigaretten-Schmuggelmafia bereicherten, haben ihre Integration in die EU weitergetrieben: Sie setzen jetzt auf Korruption und Finanzkriminalität im großen Stil. So steht Moldawien, das Armenhaus Europas, vor dem finanziellen Absturz. Nach den Wahlen vom April 2009 hatte die kommunistische Partei mit 49,9% der Stimmen eine absolute Mehrheit im Parlament erreicht. Doch die Wahlverlierer, die eine Annäherung an EU und NATO anstrebten, machten Stimmung wegen angeblichen Wahlbetrugs -bis Ausschreitungen von Zehntausenden in der Hauptstadt folgten. Die Kommunisten wollten die Gewalt friedlich beenden und gaben einer Wiederholung der Wahlen im Juli 2009 statt -doch nun erreichten die Oppositionsparteien PLDM, PL, PDM und AMN eine Mehrheit.

Filats liberale PLDM bildete so 2009 mit konservativen Parteien eine pro-europäische Regierung. Als Premierminister nutzt Filat seine politische Immunität, um den Schmuggel von Zigaretten zwischen Moldau und Rumänien auszuweiten. 2011 kündigte die Europäische Kommission ein umfangreiches Freihandelsabkommen mit Moldawien an. Nach vier einträglichen Amtsjahren wurde Filat im März 2013 von 54 der 101 Parlamentsabgeordneten zwar endlich das Misstrauen ausgesprochen, aber der ihm zugeneigte moldawische Präsident Nicolae Timofti beauftragte ihn erneut. Diese Missachtung des Parlaments wurde vom Verfassungsgericht jedoch für verfassungswidrig erklärt und Filat von seinem Nachfolger Iurie Leanca entmachtet. Mithilfe von Leanca und Großunternehmer Ilan Shor machten die Liberalen sich daran, die Staatskasse direkter zu Privatisieren als das Strafrecht es eigentlich zulässt. Einerseits sammelt die pro-europäische Allianz im Zuge der von Obama wiederbelebten EU-Feindschaft mit Russland eifrig EU-Fördergelder und Weltbankkredite ein, verspricht vollmundig radikale Reformen und die Bekämpfung der Korruption.

Vorbild von Filats PLDM war vermutlich auch die deutsche FDP, in der Otto Graf Lambsdorff und sein Clan die Fäden ziehen. Selbiger Altliberale wurde als Bundesminister dabei erwischt wie er seinen Amtseid brach, um Großunternehmen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu leisten –trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb ist er weiterhin Ehrenvorsitzender der FDP. Ein weiterer Graf Lambsdorff ist FDP-Drahtzieher im Herz der EU-Lobbykratie in Brüssel und ein dritter Prof. Graf Lambsdorff sitzt sinnigerweise an den Schalthebeln der (angeblichen) Anti-Korruptions-NGO „Transparency International“, die mit ihrem Korruptionsindex Firmen wichtige Hinweise gibt, wo man wieviel Schmiergeld zahlen kann bzw. wo am besten dunkle Geschäfte zu machen sind.

Finanz-Staatsstreich in Chisinau

Der zwielichtige Multi-Millionär Ilan Shor ist Schlüsselfigur im Finanzcoup. Er bekommt einen Moldawien2Milliardenkredit bei der staatlichen Bank „Banca de Economii“, ohne nennenswerte Sicherheiten: Er verfügt nur über ein paar dubiose Betriebe und eine Duty-Free-Kette in Moldau. Mit den erschwindelten Milliarden kauft Shor 30 Prozent der Aktien der Banca de Economii vom Staat. Vlad Filat und sein Tabakschmuggel-Komplize Vladimir Plahotniuk ermöglichen diesen Kauf. Die Bank schreibt bald keine Gewinne mehr, denn die Millionenkredite wurden an fiktive Personen ausgereicht, meist Verwandte und Freunde von Vlad Filat.

Ergebnis: Die Aktien der Banca de Economii stürzen ab und werden zügig an Ilan Shor verkauft, der sich nun auch den einzigen Flughafen des Landes, Aeroport International Chisinau, leisten kann. Die EU freut sich über die schönen Reformen: So sieht eine neoliberale Privatisierung aus. Finanzhai Shor erwirbt Mehrheiten an den beiden nächst größeren Finanzhäusern des kleinen Landes, „Unibank“ und „Banca Sociala“. Die Nachricht löst Panik in der moldauischen Gesellschaft aus, Sparen flüchten scharenweise in ausländische Währungen, die Wechselkurse stürzen ab, die Preise für Lebensmittel und Dienstleistungen explodieren.

Warum kommt es nicht zu größeren Unruhen? Die Moldawier haben Angst vor einer „Maidanisierung“ ihres Landes nach ukrainischem Vorbild, so Alisa Bauchina in Telepolis. Moldau fürchtet den heimlichen Einmarsch westlicher Söldner wie Blackwater, Aufrüstung und Finanzierung faschistischer Milizen, Bürgerkrieg und „Demokratie“ westlicher Machart wie in Kiew.

Hintergrund: Die Wahl 2014 in Moldawien

Die Wahl 2014 brachte die Liberalen der PLDM erneut an die Macht. Das vom Ministerpräsidenten Iurie Leanc vorgestellte Kabinett erhielt bei einer Vertrauensabstimmung am 12. Februar 2015 lediglich 41 der 51 erforderlichen Stimmen. Sechs Tage später wurde schließlich das Kabinett von Chiril Gaburici (PLDM) angenommen. Dieses umfasst insgesamt 15 Ministerien, wobei die Besetzung der Regierung Gaburicis sich nicht vom Vorschlag Leancs unterscheidet. Der neue Premierminister Gaburici versicherte, dass er den zuvor bereits eingeschlagenen proeuropäischen Kurs weiterverfolgen werde.

Liberaldemokratische Partei Moldawiens (Partidul Liberal Democrat din Moldova, PLDM) 20.16% (23), die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (Partidul Comuniștilor din Republica Moldova, PCRM) 17.48% (21), die Demokratische Partei Moldawiens (Partidul Democrat din Moldova, PDM) 15.80% (19) und die Liberale Partei (rumänisch Partidul Liberal, PL) 9.67% (13). Die proeuropäischen Kräfte aus PLDM, PDM und PL erhielten somit eine deutliche Mehrheit von 55 gegenüber den prorussischen aus PSDM und PCRM mit 46 Sitzen.

Das Land hat 3.9 Millionen Einwohner und Moldawiens Bevölkerung ist unterschiedlicher ethnischer Herkunft: Die größte Gruppe machen die rumänischsprachigen Moldauer mit 71,49 % aus, darauf folgen Ukrainer (11,23 %) und Russen (9,39 %), von denen viele in Transnistrien leben. Hinzu kommen 3,85 % Gagausen, 2,02 % Bulgaren, 0,12 % Juden sowie einige Deutsche, Polen, Weißrussen, Tataren usw Umfragen zufolge gibt es in der Bevölkerung Moldawiens keine klare Mehrheit für die zukünftige außenpolitische Ausrichtung des Landes. So befürworten etwa 49 % der Bevölkerung einen Beitritt in die Europäische Union, während zwischen 46 % und 54 % der Moldawier einen Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion unterstützen.

Der Transnistrienkonflikt

MickeyPedia meint: Ein die moldauische Politik beherrschendes Thema ist der Umgang mit den separatistischen Regionen Transnistrien und Gagausien. Während Gagausien einen von der moldauischen Regierung angebotenen Autonomiestatus akzeptierte, gestalten sich die Verhandlungen mit Transnistrien wesentlich schwieriger. Nach den bewaffneten Auseinandersetzungen 1992 etablierte sich in Tiraspol ein De-facto-Regime um Igor Smirnov, welches das Gebiet jenseits des Dnister kontrolliert und dort eigene Verwaltungsstrukturen aufgebaut hat. Der Verhandlungsprozess zwischen der Regierung in Chișinău und in Tiraspol gestaltet sich schwierig, so dass Beobachter von einem „frozen conflict“ sprechen.

Der Transnistrien-Konflikt ist nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen Eliten in Chișinău und Tiraspol oder zwischen verschiedensprachigen Bevölkerungsteilen; er hat daneben auch eine geostrategische Dimension um den Einfluss der Großmächte USA und Russland in Südosteuropa. Durch diese internationale Dimension wird eine Lösung des Konflikts außerordentlich erschwert. Die Verhandlungsbemühungen in den letzten 20 Jahren scheiterten trotz oder wegen internationaler Vermittlungsbemühungen Russlands, der Ukraine, der USA, der Europäischen Union oder der OSZE immer wieder daran, dass jede Seite bemüht war, nicht zu viel nachzugeben, und daher mit Hilfe der Verbündeten eine Konfliktlösung blockierte. So bei den Verhandlungen über die als Kozak-Plan bekannte Initiative der Russischen Föderation, welche die Bildung eines Bundesstaates auf dem Territorium der Republik Moldau vorsahen, die im November 2003 scheiterten. Moldauische Regierungskreise sahen in dem Abkommen zu viele Vorteile für Transnistrien. Manche Beobachter gehen auch davon aus, dass die Eliten auf beiden Seiten nicht an einer Konfliktlösung interessiert sind, sondern am Erhalt des Status quo, der beiden Seiten Einnahmequellen erschließt.

Im August 2008 wurde dem Konflikt wieder verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt, denn Transnistrien fror am 12. August alle Kontakte zur Regierung in Chișinău ein, da „der klare und starke Ausdruck Moldawiens fehle, die Aggression Georgiens gegenüber Südossetien und Abchasien zu verurteilen.“ Am 26. August warnte Russlands Präsident Dmitri Medwedew Moldawiens Staatschef Voronin vor einer militärischen Lösung des Konflikts nach georgischem Vorbild. „Der Krieg um Südossetien sei eine Warnung an alle.“ (Soweit MickeyPedia dazu)

Die EU hat -wohl in ihrer Funktion als Obamas Statthalter in Europa- auch hier den Hebel angesetzt, um Russland weiter in die Enge zu treiben…

4 Gedanken zu “EU-Ostkolonien: Moldau vor Maidanisierung?

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