Aus Wissenschaft und Forschung: Ist der Magenkrebs-Keim H. Pylori Parasit oder Symbiont?

Helicobacter pylori

Magenkeim H.pylori:
Parasit oder Symbiont?

Ludwig Virchow 06.02.2013

Seit letztem Jahr ist bekannt, dass eine Infektion mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori vor Allergie bedingtem Asthma schützen könnte. Jetzt fand eine US-Studie Hinweise, dass H.pylori auch vor Hirnschlag und Lungenkrebs schützen könnte. Wird ein bis vor Kurzem noch als gefährlicher Parasit gefürchteter Keim zu einem geschätzten Symbionten? Ärzte erwägen schon „Impfungen“ mit H.pylori.

Den Athma-Schutz durch H.pylori konnten Immunologen der Universität Zürich gemeinsam mit Mainzer Allergiespezialisten  2012 nachweisen. Ihre am Mausmodell gewonnenen Ergebnisse hatten sie in der Fachzeitschrift „Journal of Clinical Investigation“ publiziert. Sie bestätigen damit die Hypothese, dass die dramatische Zunahme von Allergieerkrankungen in Industriegesellschaften dem Verlust an Keimen korrespondieren könnte, die den menschlichen Körper besiedeln.

Allergie bedingtes Asthma ist in der industrialisierten Welt seit Jahrzehnten auf dem Vormarsch und nimmt inzwischen epidemische Ausmasse an. Erklärt wird die rapide Zunahme mit Luftverschmutzung, insbesondere dem Tabak-Rauchen, der Hygiene-Hypothese und dem weitverbreiteten Einsatz von Antibiotika.

Die Hygiene-Hypothese

Experimentally induced asthma is alleviated by H. pylori infection.

Experimentally induced asthma is alleviated by H. pylori infection. Mice were orally infected as neonates (iN) or adults (iA) with H. pylori and sensitized with alum-adjuvanted OVA (A–G) or HDM (H–M) 4 and 6 weeks after infection along with an uninfected (uninf) group.

Die Hygiene-Hypothese besagt, dass moderne Hygiene zu einem Mangel an infektiösen Reizen geführt hat, die für die normale Reifung des Immunsystems nötig wären. Im Sinne dieser Hypothese wiesen Wissenschaftler der Universität Zürich und der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz im besagten Artikel im „Journal of Clinical Investigation“ an Mäusen nach, dass die Zunahme an Asthmaerkrankungen möglicherweise auf das gezielte Ausmerzen des Magenbakteriums Helicobacter pylori (H. pylori) in den westlichen Gesellschaften zurückzuführen ist. H.pylori wurde wegen der Förderung von Magenkrebs bekämpft und ist heute bei jüngeren Menschen weitgehend verschwunden, während er früher weit verbreitet war (weltweit tragen immer noch die Hälfte der Menschen den Keim). Doch es zeigte sich, dass unser Immunsystem eine Infektion mit dem Bakterium zu benötigen scheint:

„Die frühe Infektion verhindert den Reifeprozess der dendritischen Zellen in der Lunge und führt zu einer Anreicherung von regulatorischen T-Zellen, die für die Unterdrückung von Asthma entscheidend sind“, so die Uni Mainz.

Schutz vor Hirnschlag und Lungenkrebs?

Eine neue Studie der  NYU School of Medicine researchers zeigte jetzt im Januar, dass ein besonders virulenter Stamm von Helicobacter pylori die Todesrate der  U.S. -Bevölkerung nicht steigerte und sogar vor Hirnschlag (-55%) und einigen Krebsarten (-45%) schützen könnte. Diese Ergebnisse stammen aus einer landesweiten US-Studie mit ca. 10.000 Individuen über einige Dekaden, meldete das medical-news-net:

Those individuals carrying the most virulent strain of H. pylori, the study found, had a 55 percent reduced risk of deaths from stroke compared with their counterparts who were not infected with H. pylori. Participants with the most virulent strain also had a 45 percent reduced risk of death from lung cancer.

Für unser Gesundheitssystem erhebt sich die Frage, ob durch übermäßige Antibiotika-Gaben neben der Züchtung von Resistenzen weitere Geißeln über uns gebracht wurden. MRSA-Keime sind schlimm genug, aber auch Allergien sind lästig und schädlich -und ein Milliardengeschäft für die Pharmaindustrie: Eine banale Heuschnupfen-Desensibilisierung kostet mehr als 500,- Euro. Mehr gesundheitliche Bildung an den Schulen könnte helfen, übertriebene Pillen-Verschreibungen zu dämpfen. Aber auch Ärzte, denen unter korrumpierender Desinformation durch Pharma-Vertreter der Rezeptblock locker sitzt, gilt es zu überzeugen. Sie haben freilich oft wenig Interesse daran, Expertenhörigkeit und Unwissen der Bevölkerung zu mindern.

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