Solidarität als Basis von WikiLeaks & Anonymous

Von Julian Assange, 15.10.2012

(Übersetzung von Gerd R. Rueger cc-by-2.0, Anm.kursiv)

Freiheit gibt es nicht kostenlos, Gerechtigkeit ist nicht gratis und auch Solidarität ist nicht kostenlos. Sie alle erfordern, Großzügigkeit, Selbstdisziplin, Mut und einen Sinn für Perspektive. Gruppen in Einigkeit blühen und solche ohne Einigkeit werden zerstört und ersetzt durch Gruppen, die einig sind.

Traditionelle Armeen gewinnen Einigkeit durch Isolation, ritualisierten Gehorsam und durch Zwangsmaßnahmen zur Unterdrückung von Abweichlern, bis hin zu deren Tod. Gruppen, die aus Solidarität und Gemeinsamkeit  nicht die Fähigkeit zur Einigkeit entwickeln konnten, werden von Gruppen mit erzwungener Einigkeit dominiert.

Letztlich ist es die Fähigkeit zur Einigkeit, die unsere Zivilisation bestimmt. Gruppen, die sich  einig sind, wachsen und verbreiten sich. Gruppen, denen die Einheit fehlt, gefährden sich und ihre Verbündeten.  Dabei spielt es keine Rolle, welche Prinzipien eine Gruppe vertritt. Wenn keine grundlegende Einigkeit gegeben ist, wird eine Gruppe von anderen beherrscht werden, deren Allianzen einig sind.

Wenn eine Gruppe eine bestimmte Größe überschreitet, wird die öffentliche Presse ein Medium, durch das die Gruppe mit sich selber spricht. Dies gibt der Presse Einfluss auf das Selbstbewusstsein der Gruppen. Die öffentliche Presse hat ihre Agenda. Ebenso Insider, die mit der Presse sprechen. In großen Gruppen, können Insider, die eine Schnittstelle mit der öffentlichen Presse bilden, dadurch eine Position erlangen, die ihren internen Einfluss durch die Presse verstärkt.

Zu Anonymous

Da Anonymous anonym ist, können jene, die in der einen oder anderen Form eine Führungsrolle einnehmen, heimlich durch andere Interessen ersetzt und die Organisation damit enthauptet werden. Dies ist genau das, was in der Sabu-Affäre geschah: Eine wichtige Person bei Anonymous wurde letztlich durch das FBI kontrolliert. Die Vereinnahmung seiner sichtbarsten Figur, Sabu, wurde benutzt, um andere zu fangen. FBI-Agenten oder Informanten wurden anschließend bei Operationen gegen WikiLeaks eingesetzt  –getarnt als Aktivisten von Anonymous. Laut FBI-Anklageschriften kontrollierte das FBI zu verschiedenen Zeiten Server von Anonymous. Wir müssen derzeit davon ausgehen, dass eine beträchtliche Anzahl von Anonymous Servern und „Führungspersonen“ infiltriert sind.

Dies bedeutet nicht, dass Anonymous sich von Paranoia lähmen lassen sollte, aber die Bedrohung durch Infiltration muss zur Kenntnis genommen werden. Die Förderung von „anonhosting.biz“ und ähnlicher Aktivitäten, die nicht von Fallen des FBI unterscheidbar sind, dürfen nicht geduldet werden.

Die Stärke von Anonymous lag im Fehlen einer Führung oder sonstiger anvisierbarer Aktivposten. Wenn jede einzelne Person wenig Einfluss auf das Ganze hat und keine Aktivposten spezielle Bedeutung haben, werden Unterwanderungs-Operationen teuer und ineffektiv. Die Kryptografie, die „Friends of WikiLeaks“ (unsere internationale Unterstützer-Gruppierung) verwendet, basiert auf diesem Prinzip, während WikiLeaks als Organisation eine zuverlässige öffentliche Führung bereitstellt, um eine verdeckte Infiltration der Führung zu verhindern.

Durch Aktivposten entstehen Konflikte um ihre Kontrolle bzw. gönnerhafte Patronage-Beziehungen, dies schließt auch virtuelle Ressourcen ein: Server, Twitter-Konten und IRC-Kanäle.

Die Frage, die Anonymous sich stellen muss, ist, ob es nur eine Gang sein will („erwartet uns“) oder eine Bewegung aus Solidarität. Eine Bewegung aus Solidarität erhält ihre Einigkeit durch gemeinsame Werte und die symbolische Feier von Einzelpersonen, deren Aktionen die gemeinsamen Tugenden repräsentieren.

Beurteilung des Statement von „@AnonymousIRC“

Im Verhältnis zu angeblichen Partnern von WikiLeaks: Es ist selten bei uns, dass wir bei einem mutmaßlich partnerschaftlichen Interesse Hilfe oder Bestätigung anbieten können, vor allem in einem frühen Stadium. Bestätigung oder Hilfe von uns könnte auch als Beweismittel gegen unsere mutmaßlichen Alliierten verwendet werden. Es würde für eine uns verfolgende Justiz prestigeträchtige Möglichkeiten schaffen, unsere mutmaßlichen Alliierten in einem öffentlichen Stellvertreterkrieg gegen WikiLeaks zu nutzen. Wir können für mutmaßlichen Alliierte nicht öffentlich Partei ergreifen, bevor wir nicht ihr anerkanntes Team gebilligt haben und sicher sind, dass unsere Aktivitäten von ihnen wirklich vertraulich behandelt werden. Dieser Punkt sollte offensichtlich sein.

Vor einigen Wochen begann WikiLeaks eine der US-Präsidentschaftswahl angeschlossene Spenden-Kampagne, die am Wahltag, dem 6.November, auslaufen soll. Die WikiLeaks-Kampagne nutzte ein Pop-up-Fenster, welches vor einigen Wochen aktiviert wurde, erfordert Tweeds, Sharing, Warten oder einmal Spenden pro Tag. Torrents bleiben von diesem Pop-up unberührt und sind verfügbar über unsere front page.

Diese Details hätten wir deutlicher kommunizieren können, aber sie waren für jeden nachlesbar. Die genaue Logik und die abzuwartende Zeitspanne sind im Quelltext der Seite dokumentiert. Wir verfügen nur in eingeschränktem Maße über Zeit und Ressourcen. Wir haben viele Schlachten zu bestehen. Über diese Klarstellung hinaus haben wir die Kampagne nicht zurück genommen und haben es auch nicht vor.

Wir wissen, dass es ärgerlich ist. Es soll ärgerlich sein. Es ist dort, um dich an die ernste Bedrohung zu erinnern vor der wir stehen: Es droht die Zerstörung von WikiLeaks durch eine rechtswidrige finanzielle Blockade sowie durch eine Phalanx von Militär, Geheimdiensten, US-Justiz und FBI-Untersuchungen.

WikiLeaks steht vor beispiellosen Kosten durch die Verwicklung in mehr als 12 gleichzeitige Rechtsstreitigkeiten in aller Welt, einschließlich unseres Engagements im Prozess der US-Militärjustiz gegen Bradley Manning (der als mutmaßlicher Wikileaks-Informant angeklagt ist).

Unsere FBI-Datei ist seit Jahresbeginn auf 42.135 Seiten angewachsen. US-Beamte erklärten gegenüber australischen Diplomaten, die Untersuchung des WikiLeaks-Falles sei von „nie gekanntem Ausmaß und Natur“.

Unsere Leute werden routinemäßig festgehalten. Unser Herausgeber (Julian Assange) wurde inhaftiert, für 18 Monate unter Hausarrest gestellt und wird jetzt in einer Botschaft in London belagert, wo ihm formell politisches Asyl gewährt wurde. Unsere Leute und Verbündete werden routinemäßig vom FBI gedrängt, zu Informanten gegen unsere Führung zu werden.

Seit Ende 2010 leiden wir unter einer rechtswidrigen finanziellen Blockade. Die Rechtswidrigkeit der Blockade wurde durch Isländische Gerichte offiziell festgestellt, aber der Kredit-Unternehmen haben Berufung beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Aktionen an weiteren Gerichtsbarkeiten sind auf dem Weg, einschließlich einer Untersuchung der Europäischen Kommission, die schon über ein Jahr läuft.

Trotzdem haben wir jede Publikations-Schlacht gewonnen und uns gegen jede Bedrohung zur Weher gesetzt. Im letzten Monat hat das Pentagon seine Forderung wiederholt, dass wir die Veröffentlichung militärischer Dokumente einzustellen haben und keine US-Militärs als Quellen „anwerben“ dürfen. Wir werden auch dem widerstehen, nicht weil wir es können (obwohl wir es können), sondern weil das Widerstehen eine Tugend ist, die einen Gemeinsinn schaffen kann. Solidarität.

Julian Assange, Botschaft von Ecuador, London

#engl. Originaltext auf Twitlonger#

Mon Oct 15 04:19:15 UTC 2012

Basic solidarity in WikiLeaks & Anonymous.

By Julian Assange

Freedom isn’t free, justice isn’t free and solidarity isn’t free. They all require generosity, self-discipline, courage and a sense of perspective. Groups with unity flourish and those without unity are destroyed and replaced by those who have it. Traditional armies gain unity through isolation, ritualized obedience, and through coercive measures applied to dissenters up to and including death. Groups who do not have techniques of unity derived from solidarity and common cause will be dominated by groups with coercive unity.

In the end it is the techniques of unity that dominate our civilization. Unified groups grow and multiply. Groups which lack unity imperil themselves and their allies. It doesn’t matter what principles a group espouses. If it is not able to demonstrate basic unity it will be dominated by alliances that do.

When a group grows large the public press becomes a medium through which the group talks to itself. This gives the public press influence over the groups self-awareness. The public press has its agendas. So do insiders who speak to it. For large groups, group insiders who interface with the public press are able to lever themselves into a position of internal influence via press influence.

Because Anonymous is anonymous, those who obtain this or other forms of leadership influence can be secretly decapitated and replaced by other interests. This is exactly what happened in the Sabu affair. An important part of Anonymous ended up being controlled by the FBI. The cooption of its most visible figure, Sabu, was then used to entrap others. FBI agents or informers have subsequently run entrapment operations against WikiLeaks presenting as figures from Anonymous.

According to FBI indictments the FBI has at various times controlled Anonymous servers. We must assume that currently a substantial number of Anonymous severs and „leadership“ figures are compromised. This doesn’t mean Anonymous should be paralyzed by paranoia. But it must recognize the reality of infiltration. The promotion of „anonhosting.biz“ and similar assets which are indistinguishable from an entrapment operations must not be tolerated.

The strength of Anonymous was not having leadership or other targetable assets. When each person has little influence over the whole, and no assets have special significance, compromise operations are expensive and ineffective. The cryptography used in Friends of WikiLeaks is based on this principle while WikiLeaks as an organization has a well tested public leadership cohort inorder to prevent covert leadership replacement.

Assets create patronage and conflict around asset control. This includes virtual assets such as servers, Twitter accounts and IRC channels. The question Anonymous must ask is does it want to be a mere gang („expect us“) or a movement of solidarity. A movement of solidaarity obtains its unity through common value and through the symbolic celebration of individuals whose actions strive towards common virtues.

Assessing the statement by „@AnonymousIRC“.

In relation to alleged associates of WikiLeaks. It is rarely in an alleged associates interest, especially early in a case, for us to be seen to be helping them or endorsing them. Such actions can be used as evidence against them. It raises the prestige stakes for prosecutors who are likely to use these alleged associates in a public proxy war against WikiLeaks. We do not publicly campaign for alleged associates until we know their legal team approves and our private actions must remain private. This calculous should be obvious.

Several weeks ago, WikiLeaks began a US election related donations campaign which expires on election day, Nov 6. The WikiLeaks campaign pop-up, which, was activated weeks ago, requires tweeting, sharing, waiting or donating once per day. Torrents, unaffected even by this pop-up remain available from the front page.

These details should have been clearer but were available to anyone who cared to read. The exact logic and number of seconds are in the page source. We are time and resource constrained. We have many battles to deal with. Other than adding a line of clarification, we have not changed the campaign and nor do we intend to.

We know it is annoying. It is meant to be annoying. It is there to remind you that the prospective destruction of WikiLeaks by an unlawful financial blockade and an array of military, intelligence, DoJ and FBI investigations, and associated court cases is a serious business.

WikiLeaks faces unprecedented costs due to involvement in over 12 concurrent legal matters around the world, including our litigation of the US military in the Bradley Manning case. Our FBI file as of the start of the year had grown to 42,135 pages.

US officials stated to Australian diplomats the investigation into WikiLeaks is of „unprecedented scale and nature“. Our people are routinely detained. Our editor was imprisoned, placed under house arrest for 18 months, and is now encircled in an embassy in London where he has been formally granted political asylum. Our people and associates are routinely pressured by the FBI to become informers against our leadership.

Since late 2010 we have been under an unlawful financial blockade. The blockade was found to be unlawful in the Icelandic courts, but the credit companies have appealed to the Supreme Court. Actions in other jurisdictions are in progress, including a European Commission investigation which has been going for over a year.

Despite this we have won every publishing battle and prevailed over every threat. Last month the Pentagon reissued its demands for us to cease publication of military materials and to cease „soliciting“ US military sources. We will prevail there also, not because we are adept, although we are, but because to do so is a virtue that creates common cause.

Solidarity.

Julian Assange

Embassy of Ecuador, London

Ein Gedanke zu “Solidarität als Basis von WikiLeaks & Anonymous

  1. Release date March 15, 2010

    Summary

    This document is a classified (SECRET/NOFORN) 32 page U.S. counterintelligence investigation into WikiLeaks. „The possibility that current employees or moles within DoD or elsewhere in the U.S. government are providing sensitive or classified information to WikiLeaks.org cannot be ruled out. It concocts a plan to fatally marginalize the organization. Since WikiLeaks uses „trust as a center of gravity by protecting the anonymity and identity of the insiders, leakers or whistleblowers, the report recommends „The identification, exposure, termination of employment, criminal prosecution, legal action against current or former insiders, leakers, or whistleblowers could potentially damage or destroy this center of gravity and deter others considering similar actions from using the WikiLeaks.org Web site. [As two years have passed since the date of the report, with no WikiLeaks‘ source exposed, it appears that this plan was ineffective]. As an odd justification for the plan, the report claims that „Several foreign countries including China, Israel, North Korea, Russia, Vietnam, and Zimbabwe have denounced or blocked access to the WikiLeaks.org website. The report provides further justification by enumerating embarrassing stories broken by WikiLeaks—U.S. equipment expenditure in Iraq, probable U.S. violations of the Chemical Warfare Convention Treaty in Iraq, the battle over the Iraqi town of Fallujah and human rights violations at Guantanamo Bay
    https://wikileaks.org/wiki/U.S._Intelligence_planned_to_destroy_WikiLeaks,_18_Mar_2008

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