Hartz IV-Front: Moralischer Sieg über Jobcenter Köln perfekt

Gerd R. Rueger 09.10.2012

Köln. Das Jobcenter hat den Schwanz eingezogen und will sich dem ursprünglich für den November angesetzten Prozess gegen die KEA nun doch nicht stellen (Jasminrevolution berichtete). Juristisch-taktisch hat der Rückzug des Jobcenters leider einen größeren politischen Durchbruch verhindert: Es hat vermieden, dass ein gerichtliches Urteil gegen seine Drangsalierung und Demütigung von Arbeitslosen gesprochen wird. Weitere Kämpfe werden nötig sein, um die prekarisierten Hartz IV-Opfer und andere Arbeitslose zu solidarisieren und in der Öffentlichkeit zu ihrem Recht zu bringen.

Die Arbeitslosen-Initiative KEA vermutet, dass das Jobcenter großes Interesse daran habe, Urteile (gegen sich) und Präzedenzfälle (für Betroffene) zu vermeiden: „Wir wissen von zahlreichen Fällen – auch in Leistungsangelegenheiten -, wo das Jobcenter quasi im letzten Moment die Rolle rückwärts macht und den Kläger klaglos stellt.“ Dadurch beseitigt das Jobcenter durch Einlenken den Grund der Klage, indem es dem Kläger außergerichtlich Recht gibt. Der Kläger hat dann zwar gewonnen, aber nicht vor Gericht: Der Vorteil des Jobcenters ist dabei, dass kein Urteil gesprochen wurde. Ein Urteil würde aber Tausend anderen Betroffenen zu gleichem Recht und zu gleichen Ansprüchen verhelfen können.

„Ein Urteil kann man veröffentlichen, kann man ausdrucken und kann man bei Bedarf auch dem Jobcenter auf den Tisch legen. Ein Urteil in einem juristischen Einzelfall kann zudem plötzlich für eine ganze Betroffenengruppe bedeutsam werden. Das nennt man dann einen Präzedenzfall.“ KEA

Fabienne Brutus kämpfte in Frankreich als Sachbearbeiterin der Behörde gegen unmenschliche Verwaltung der Arbeitslosen an

Eine Aktivistin der KEA, der Intitiative “Kölner Erwerbslose in Aktion”, siegte am 20. September 2012 vor dem Verwaltungsgericht in Köln. Die Prozessbevollmächtige des Jobcenters Köln erkannte die Rechtswidrigkeit eines ausgesprochenen Hausverbots an, der Prozess wurde eingestellt -Kosten gehen zu Lasten des Jobcenters. Die Aktivistin hatte ein Hausverbot für zwölf Monate wegen des Verteilens des Überlebenshandbuchs der KEAs in der Wartezone des Jobcenters Köln-Kalk bekommen. Botschaft: Wer sich engagiert, für sich selbst und für andere einsetzt soll drangsaliert und weggemobbt werden. Selbsthilfe ist unerwünscht, es geht um Verwaltung im Dienste einer ideologisch auf Neoliberalismus und Sozialdarwinismus gepolten Machtelite.  Einer wildgewordenen inhumanen Bürokratie  geht es dabei offenbar immer öfter  um die Schaffung eines Klimas der Angst bei den unteren 50 Prozent der Bevölkerung.  Dabei fehlt es nicht an netten Ermahnungen wie diesen 10 Geboten zu menschenwürdigem Verhalten der Jobcenter-Mitarbeiter.

Eine deutsche Fabienne sucht man leider noch vergebens: Fabienne Brutus, eine junge Frau aus Frankreich, deren Schicksal zeigt was (in Frankreich) passiert, wenn eine Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit nicht mehr mitspielt. Zuerst anonym, später offen entstand eine neue Behördenkultur, Motto: „Nein das machen wir nicht mehr mit“! Im Ergebnis entstand auch ein Buch sowie die Erklärung zur beruflichen und bürgerlichen Ethik von Sud ANPE (Gewerkschaft in der französischen Agentur für Arbeit). Davon sind wir hierzulande noch weit entfernt, trotz eines Straßburger Urteils, das deutsche Whistleblower schützen würde, die gegen ihre Arbeitgeber, z.B. Behörden, an die Öffentlichkeit gehen. Doch die KEAs und andere Hartz IV- und Arbeitslosen-Initiativen geben nicht auf:

„Im Gerichtsprozess – KEA gegen Jobcenter – vom 20. September 2012, wurde sechs Mal gesagt, dass sich „das Jobcenter sein Hausverbot sonstwohin schieben“ könne und hiernach entsprechend veröffentlicht. Es darf davon ausgegangen werden, dass just dieser Prozess dem Jobcenter zur entscheidenden Eingebung verhalf, den weiteren Kläger in gleicher Angelegenheit bzw. wegen eines Vorfalls im Jobcenter Köln-Kalk vorsorglich klaglos zu stellen.

Eine schriftliche Entschuldigung seitens des Jobcenters gegenüber dem von einem rechtswidrigen Hausverbot betroffenen Kläger scheint nicht zum formal-juristischen Prozedere zu gehören und schon gar nicht ins System ‚Hartz IV‘ zu passen. Dafür haben wir freilich Verständnis! ;-)“

Jobcenter Köln wendet KEA-Klage ab, Quelle: Die KEAs e. V. – Kölner Erwerbslose in Aktion.

Im täglichen Kampf um das Überleben im Hartz IV-Land müssen die Betroffenen mit kleinlicher Schikane und handfesten Drangsalierungen rechnen: In Wuppertal gelang jüngst ein Schlag gegen die um sich greifende Praxis des Verschwindenlassens von Dokumenten -eine heimtückische Rechtswidrigkeit, gegen die sich Arbeitslose nur schwer wehren können: Sie werden zu kostenaufwendigen Dokumenten-Sicherungsmaßnahmen gezwungen wie persönliches Vorbeibringen, Einschreiben mit Rückschein etc. oder müssen sich für kleinste Banalitäten Zeugen besorgen, um ihre Beiträge zur Verwaltung „ihres Falles“ gerichtsfest dokumentieren zu können. In den Fokus einer breiten Öffentlichkeit kommen die Sorgen und Nöte der unteren 50 Prozent unserer Gesellschaft leider kaum jemals, es sei denn durch einen tragischen Tötungsfall wie neulich in Neuss.

9 Gedanken zu “Hartz IV-Front: Moralischer Sieg über Jobcenter Köln perfekt

  1. Köln ist überall.
    Die Feststellung, dass es für die JC unter dem Strich günstiger ist, den Kläger klaglos zu stellen, ist zutreffend.
    Mir liegen unter Zeugen getroffene Aussagen vor, dass alles getan wird, ein wegweisendes Urteil zu vermeiden (trifft die hier extreme Problematik der KdU/willkürlichen Mietobergrenzen).
    O-Ton:…“die MainArbeit wird kein Urteil kassieren“
    Ebenfall unter Zeugen äußerte sich eine Teamleitung, dass „die Kollegen erleichtert wären, wenn sie endlich Klarheit hätten“
    Zu einer deutschen „Fabienne“ zu mutieren 😉 hat sich dennoch bisher keiner gewagt.
    Mein Respekt gilt den KEA’s und allen Aktiven, die nicht aufgeben. Auch wir tun hier unser Bestes.
    solid. Grüße
    Ellen

  2. die Gulagpolitik der Clement-Schröder-Müntefering-Troika wird sehr bald die eigenen Kinder fressen … Sehr bald schon .. Und Schröder !!! höre: „.. Du und Clemet .. ihr steht ganz oben auf der Agenda ..“

  3. Eine unglaubliche Geschichte!
    Drei Hausverbote gegen mich bis zum 31.12.2013 ausgesprochen!
    Ja, ist kein Schreibfehler!

    Warum?

    Ich habe lediglich von meinem Recht ( sofortige Bescheidung und Barauszahlung bei Mittellosigkeit) gebrauch machen wollen!

    Der Geschäftsführer, Bereichsleiter und die Teamleiterin weigerten sich tätig zu werden, obwohl es das Sgb eindeutig so vorsieht.
    Als ich das Büro des Geschäftsführers nicht verlassen wollte bevor sie tätig werden, rief der GF die Polizei zur Hilfe und sprach zunächst in Gegenwart der 2 Polizeibeamten ein mündliches Hausverbot gegen mich aus. Ich stellte meinen Antrag in Gegenwart der Polizei erneut! Wurde zur Kenntnis genommen, blieben weiterhin untätig!
    Wenige Tage später wurden diese Hausverbote gegen mich schriftlich per Einschreiben bestätigt!

    Zwischenzeitlich wurde ich sehr krank durch die Mittellosigkeit, konnte nicht mal einen Arzt aufsuchen da mir sogar dafür die 10 € Praxisgebühr fehlten.

    Die Geschichte geht nun weiter, über Foren und auf Face-book habe ich dieses veröffentlicht. Daraufhin wurde von sehr vielen Menschen aus der BRD Strafanträge gegen diese beteiligten Mitarbeiter dieses JC gestellt.

    Ich wäre nicht abgeneigt diesen Vorfall über Presse, Funk und Fernsehen weiter zu veröffentlichen.

    So eine Willkür und Schikane solcher Mitarbeiter muss gestoppt und zukünftig verhindert werden!

    Freundlichen Gruß
    Manfred Meier
    44649 Herne
    Rathausstr. 36
    manfredmeier123@arcor.de
    Tel. 023256499609

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