Richter hält Assange-Verfolgung für ein Chaos

Gerd R. Rueger 04.04.2013 JAssangeBobby

Adelait (Australia). Plant der schwedische Staat eine Kampagne gegen Julian Assange? Die Befürchtungen, was die Vortragstour eines hohen Justizbeamten in Sachen Wikileaks angeht, haben sich vermutlich als überzogen erwiesen. Der schwedische Verfassungsrichter Stefan Lindskog zeigte sich jetzt Assange eher als wohlgesonnen. Die Arbeit der Staatsanwaltschaft habe zu Missverständnissen und Chaos geführt. Lindskog lobte dagegen ausdrücklich die Bemühungen von Wikileaks, Geheimdokumente zu publizieren, insbesondere „Collateral Murder“ und wandte sich gegen eine Auslieferung an die USA, meldete Aljazeera.
Lindskog kritisierte bei einem Vortrag über den Fall Wikileaks an der Universität von Adelait (Australien) die schwedischen Ermittlungen, sprach von „Missverständnissen“ und äußerte die Ansicht, dass Schwedens Auslieferungsabkommen mit den USA im Fall Assange nicht anwendbar wären. Er beschrieb die Ermittlungen und Vorwürfe wegen angeblicher Sexualdelikte gegen den Wikileaks-Gründer ausführlich im Detail und kritisierte die Vermischung von Rechtspflege und Mediendarstellung als „ein Chaos“ Videoaufzeichnung der Uni Adelait.

„I think it is a mess,“ sagte Lindskog bezüglich der schwedischen Ermittlungen gegen Assange, „Basically, I think there are some misunderstandings, especially when it comes to the issue of extradition.“ „Extradition shall not be granted when alleged crimes [are] military WL_Logoor political in nature“, führte Lindskog aus.

Verfassungsrichter Lindskog lobte Julian Assange ausdrücklich für die Enthüllung von Geheimdokumenten auf der Whistleblower-Plattform Wikileaks und betonte, es sollte niemals ein Verbrechen sein, wenn jemand die Verbrechen eines Staates öffentlich macht:

„He’ll be thought of as a person who made public some pieces of classified information to the benefit of mankind… It should never be a crime to make known [a] crime of a state.“

Unterdessen dementierte die schwedische Staatsanwaltschaft australische Berichte, nach denen der Chefanklägerin Marianne Ny der Fall Assange entzogen sein soll. Aber dafür wurde in den USA implizite Bestätigung dafür bekannt, dass dort weiterhin gegen Wikileaks ermittelt wird. Die Bloggerin Alexandra O’Brien veröffentlichte eine Antwort des Justiz-Pressesprechers Peter Carr, dass die Aussage des Generalstaatsanwaltes Eric Holder nach wie vor ihre Gültigkeit habe. Holder hatte im Dezember 2010 erklärt, dass die USA aktiv gegen Wikileaks ermitteln würden, so Detlef Borchers (heiseticker).

Richter Lindskogs Beschwichtigungen, was die Auslieferung von Julian Assange von Schweden in die USA angeht, sind daher mit Vorsicht zu genießen: Er saß nicht im Richterstuhl, äußerte also nur unverbindlich seine Meinung. Und wer ganz misstrauisch ist, könnte sich auch fragen, ob hier nicht die schwedische Justiz ihren künftigen Gefangenen nur in Sicherheit wiegen will –eine Kampagne kann ja auch mit Charme auftreten. Ob die Schweden sich dringenden Auslieferungsersuchen der US-Regierung wirklich widersetzen würden, bleibt zweifelhaft. Immerhin war es Schweden, das als erstes Land der Welt Interpol wegen eines geplatzten Condoms und einiger erotischer Querelen hinter einem politischen Flüchtling herjagte -und den Medien dabei die Gelegenheit verschaffte, eine skandalöse Verleumdungs-Kampagne zu führen.

Insofern bleibt es dabei: Europas Justiz wird es nicht leicht haben, sich je wieder vom üblen Geruch der politischen Verfolgung eigener Regimekritiker zu befreien. Schweden lässt sich als US-Büttel gegen Wikileaks instrumentalisieren, London fällt in Kolonialismus zurück und drangsaliert Ecuador wegen Assange. Die USA haben ihren Ruf als Rechtsstaat ebenfalls untergraben: Im Fall des Wikileaks-Whistleblowers Bradley Manning durch die Verfolgung, Inhaftierung, Folterung und drohende Verurteilung zum Tode oder lebenslanger Haft eines Kritikers, der nur US-Kriegsverbrechen ans Licht bringen wollte. Die freie Presse des freien Westens (z.B. der Guardian)  macht auch keine allzu gute Figur -sie plappert die Vorgaben der US-Regierung, US-Militärs und US-Dienste nach und stempelt den Wikileaksgründer ab und viele Journalisten und Journalistinnen gebärden sich wie Hofberichterstatter eines totalitären Regimes, die wie eine Meute kläffender Köter auf den Gegner ihres Diktators losgehen.

Siehe auch zu Wikileaks/Assange:

WLP (Wikileaks-Party) und Whistleblower-Schutzgesetz

Politik der Einkerkerung: Die Detainee Policies

Wikileaks und Anonymous

Assange kritisiert Obama

Hexenjagd auf Assange -London im Abseits

Kritik an Anti-Assange-Hetzfilm

Whistleblower in Folterhaft: Bradley Manning

Finanz-Terror gegen Wikileaks

3 Gedanken zu “Richter hält Assange-Verfolgung für ein Chaos

  1. Release date March 15, 2010

    Summary

    This document is a classified (SECRET/NOFORN) 32 page U.S. counterintelligence investigation into WikiLeaks. „The possibility that current employees or moles within DoD or elsewhere in the U.S. government are providing sensitive or classified information to WikiLeaks.org cannot be ruled out. It concocts a plan to fatally marginalize the organization. Since WikiLeaks uses „trust as a center of gravity by protecting the anonymity and identity of the insiders, leakers or whistleblowers, the report recommends „The identification, exposure, termination of employment, criminal prosecution, legal action against current or former insiders, leakers, or whistleblowers could potentially damage or destroy this center of gravity and deter others considering similar actions from using the WikiLeaks.org Web site. [As two years have passed since the date of the report, with no WikiLeaks‘ source exposed, it appears that this plan was ineffective]. As an odd justification for the plan, the report claims that „Several foreign countries including China, Israel, North Korea, Russia, Vietnam, and Zimbabwe have denounced or blocked access to the WikiLeaks.org website. The report provides further justification by enumerating embarrassing stories broken by WikiLeaks—U.S. equipment expenditure in Iraq, probable U.S. violations of the Chemical Warfare Convention Treaty in Iraq, the battle over the Iraqi town of Fallujah and human rights violations at Guantanamo Bay
    https://wikileaks.org/wiki/U.S._Intelligence_planned_to_destroy_WikiLeaks,_18_Mar_2008

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