„Steuerparadiese“? Schwarzgeldoasen dichtmachen!

Gerd R. Rueger 04.04.2013 DollarPyramid

Der Offshore-Leak hat die Dimension des Problems erneut ins Bewusstsein gerückt: 30 Billionen Dollar Schwarzgeld wurden den Wirtschaftssystemen entzogen und beiseite geschafft. Die Wirtschaft saugte ihrerseits Geld aus Staat, Gesellschaft und Sozialsystemen und sang dabei ihr Klagelied von den angeblich viel zu hohen Steuern. Attac hat das Problem lange erkannt, Wikileaks enthüllte Bankster-Methoden. Aber Medien und Politik fanden andere Dinge wichtiger, obwohl spätestens seit der Finanzkrise 2008 und in der aktuellen Eurokrise klar ist, dass die Finanzkonzerne Leben und Demokratie bedrohen. An Initiativen hat es nicht gefehlt. Aber die heimliche politische Macht von Finanzkonzernen und Geldeliten, für die der Begriff „Bilderberger“ exemplarisch stehen mag, hat es immer wieder geschafft, die Projekte zu hintertreiben.

OECD-List of Uncooperative Tax Havens

Im Jahr 1998 hatte die OECD, der Club der reichen Länder, als Reaktion auf die globale Steuerfluchtmisere zur Regulierung von Offshore-Finanzzentren die sogenannte „Harmful Tax Competition“ Initiative gestartet. Es wurden insgesamt 41 Staaten benannt, deren Steuergesetzgebung einem fairen Geschäftsverkehr widersprach. Probleme gab es beim Start der Initiative, weil neben vielen anderen auch die OECD-Mitglieder Schweiz, Österreich, Belgien und Luxemburg ihr Bankgeheimnis gefährdet sahen. Indem die Forderungen gelockert wurden, konnten jedoch die meisten der genannten Länder zum Einlenken bewegt werden. Im Juli 2008 befanden sich nur noch Andorra, Liechtenstein und Monaco auf der „OECD-List of Uncooperative Tax Havens„, besonders Liechtenstein kam durch die Zumwinckel-Affäre unter Druck.

2005 EU-Zinsrichtlinie

„Steueroasen“ -der verbreitete Euphemismus verdeckt und verharmlost Finanzkriminalität

Regulierungserfolge im Bereich der Steuerfairness gab es auch durch bilaterale Verträge, wo vor allem die USA und die EU in ihren Einflussbereichen kleinere Länder zur Kooperation nötigten. 2005 wurde endlich die lange geforderte EU-Zinsrichtlinie beschlossen, der zufolge eigentlich alle EU-Staaten und einige Steueroasen in Übersee wie die Cayman-Inseln oder Gibraltar automatisch Kontrollmitteilungen über Bankverbindungen an die zuständigen Steuerbehörden versenden müssten. Das örtliche Finanzamt könnte dann feststellen, ob die Auslandskonten vom Anleger auch angezeigt und versteuert wurden. Doch selbst die EU-Mitgliedsstaaten Luxemburg, Belgien und Österreich bestanden darauf, ihr Bankgeheimnis zu wahren. Sie erhoben stattdessen eine anonyme Quellensteuer auf die Zinserträge von „Steuerausländern“, die zu drei Vierteln an deren Wohnsitzländer geht. Der Satz stieg im Rahmen einer Übergangsregelung ab Juli 2008 von 15 auf 20 Prozent, und erreicht ab Juli 2011 in der Endstufe 35 Prozent.

Ähnlich verfuhren die in die EU-Zinsrichtlinie eingebundenen Drittstaaten Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Andorra, San Marino, die britischen Kanal- und weitere Inseln sowie die Niederländischen Antillen. Doch standen weiterhin zahlreiche Schlupflöcher offen, wenn große Vermögen mit Hilfe der Finanzdienstleister dafür „innovative Finanzprodukte“ ausnutzen. (Abb.K.Kollwitz, Hungernde Kinder)

Die mit Hilfe einschlägiger Finanzfirmen geschaffenen Tarn-, Täusch- und Verschleierungskonstrukte über Banken und Anwaltskanzleien in den Steueroasen dienen einzig und allein dem Zweck der Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Sie waren bislang leider für die Ermittlungsbehörden ohne Mithilfe von Insidern schwer zu entschlüsseln -vielleicht liefert der Offshore-Leak jetzt Polizei und Staatsanwaltschaften neue Motivation, einer der schlimmsten Geißeln der Menschheit paroli zu bieten: Neben Steuerhinterziehern profitieren natürlich auch Geldwäscher, Diktatoren, Kleptokraten wie Ben Ali in Tunesien und Großkriminelle jeglicher Couleur von diesen Konstrukten. Andere Kriminelle sitzen in unseren Banken und werden nur selten Ziel von Ermittlungen, wie derzeit bei der Hypovereinsbank wegen Beihilfe zum Steuerbetrug.

Der Offshore-Leak

In 46 Ländern wurde den Medien jetzt ein großer Datensatz über Schwarzgeld-Firmen zugespielt. Der anonyme Leak ging an die ICIJ und enthielt Daten aus zwei Agenturen für  „Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen“ und betrifft vor allem die weltgrößte Schwarzgeldoase, die British Virgin Islands. Bis zu 130.000 Reiche und Superreiche sollen betroffen sein, rund 120.000 Scheinfirmen, Offshorekonten, verdächtige Geldbewegungen in 170 Ländern und die Namen von mehr als 130.000 Personen wurden enthüllt. Gut 2,5 Millionen Dokumente mit sehr detaillierten Daten wurden dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) anonym zugespielt, das die Daten in 15 Monaten Recherche ausgewertet und nun zur Verfügung gestellt hat: Secrecy for Sale: Inside the Global Offshore Money Maze (Geheimnisse zu verkaufen: Im globalen Schwarzgeld-Netz). Ob Wikileaks, der Finanzbranche bestens bekannt seit dem Julius-Baer-Leak,  diesmal involviert war, ist nicht bekannt.  Julian Assange hatte allerdings schon seit geraumer Zeit weitere Leaks bezüglich der Finanzindustrie angekündigt und Wikileaks hat mit den Banken noch eine Rechnung offen, nachdem die sich von der US-Regierung für einen Finanzboykott gegen die Hacker-Initiative einspannen ließen. Nach den bereits gegen ihn anhängigen Klagen bzw. Ermittlungen wäre eine gewisse Zurückhaltung allerdings nur allzu verständlich. Eine Spur führt schon mal nach Australien: Die Software, um die Daten auszuwerten kam laut ICIJ als Spende von der australischen Firma NUIX, die ihren Kunden hilft “to index, search and manage vast quantities of unstructured data”.

Bislang fanden sich Offshore-Firmen auch auf den Cook-Inseln, in Singapur und Panama, in Luxemburg und vor allem auf den Britischen Jungferninseln . Offshore gilt als riesiges Geschäft: Laut einer 2012 erschienenen Studie der britischen NGO Tax Justice Network (hier auf Jasminrevolution), werden in Schwarzgeldoasen (von unseren Mainstream-Medien oft zu “Steueroasen” glorifiziert) 21 bis 32 Billionen Dollar kriminelle Gelder versteckt gehalten.

Der Zusammenhang von Neoliberalismus, Finanzkrise und Korruption wird deutlich in der Ideologie der Privatisierung: Es geht um ein privatisiertes Geldsystem in dem nur noch eines der Allgemeinheit gehört -die Schulden. Die Privatisierung der Politik ist dabei Teil des Problems, wenn Lobbyismus die Gesetzgebung manipuliert und bei geheimen Bilderberger-Treffen die Machteliten unter Ausschluss der Öffentlichkeit mauscheln. Kurzum: Globalisierung führt zwangsläufig in die globale Zinsknechtschaft, wenn wir uns nicht dagegen wehren -wie etwa jüngst Attac und viele andere Gruppen auf dem Weltsozialforum in Tunis. Wenn sich jetzt, wo das Thema zufällig auch mal in die Mainstream-Medien gerutscht ist, aber die Politiker der CDSUFDPGRÜSPD vor jedem Mikrofon in die Brust werfen, auf Steuersünder schimpfen und härteres Vorgehen ankündigen, kann man darüber nur lachen: Deren Gesetze haben das gigantische globale Abzock-System doch erst möglich gemacht -und sie wurden gut dafür geschmiert (einige zumindest, kann man vermuten).

Gesetzgeber (Parteien) ermöglichen Gaunereien in Milliardenhöhe (propagandistisch verniedlicht zu “Steuerschlupflöchern”). Gauner zocken ab und machen gigantische Vermögen -werden sie aber erwischt, beschweren sie sich über eben diese Gesetzgeber auch noch. Leider haben sie nicht ganz unrecht, aber so greift die Logik zu kurz und die Verantwortung bleibt am Wähler hängen. Dazwischen sitzen aber noch die Mainstreammedien, durch deren Lügen die Komplizen der Gaunerelite in die Parlamente gewählt wurden -und letztlich ist immer noch der schuld, der mit der Hand in der Kasse erwischt wird -nicht der, der die Kasse offen herum stehen ließ (unsere Staatskasse wohlgemerkt). Das sagt uns ein dummes Sprichwort doch glatt: Arm, aber ehrlich -es sollte heißen: Arm, weil ehrlich. Oder besser: Reich, weil ein Finanzverbrecher. Lösung: Besteuern, bestrafen, enteignen!

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