Medien Lateinamerikas unter Beschuss: Argentinien unter IWF-Kuratel

Galindo Gaznate

IWF und USA wissen, dass sie ihren Rollback-Feldzug gegen sozialistische oder sozialdemokratische Regierungen Lateinamerikas auch auf dem Feld der Medien flankieren müssen. Venezuela wurde getroffen als der mächtigste Medienkonzern der Welt, Facebook, den wichtigsten USA-kritischen Sender Südamerikas, Telesur, kaltstellte. Argentinien hatte unter seinem 2015 mit US-Hilfe ins Amt gebrachten Staatschef, den Multimillionär Mauricio Macri, den Sender Telesur bereits durch seinen Austritt geschwächt. Nun lieferte der IWF Macri den Vorwand, Argentiniens Staatssender Télam von kritischen Journalisten zu „säubern“. Per IWF-Spardiktat feuerte Macri 40 Prozent der Télam-Belegschaft, nachdem der Sender Kritik am IWF geäußert hatte. Es gehe nicht um Zensur, sondern um Kostensenkung, so der Neoliberale Macri.

Buenos Aires. Ende Juni 2018 kündigte die staatliche Nachrichtenagentur Télam (Telenoticiosa Americana) rund 40 Prozent der Belegschaft. Die Entlassung von 357 Mitarbeitern erfolge aufgrund einer »Entscheidung der Behörden« hieß es zu der skandalösen Säuberungsaktion. Die neoliberale Regierung begründete dies mit der vom IWF inspirierten Notwendigkeit, »Kosten zu senken«, dabei leidet das Land seit Langem unter neoliberalem Elend. Seit Amtsantritt des Präsidenten Mauricio Macri (Argentinien wird Manager-Diktatur) im Dezember 2015 werden in Argentinien kritisch-alternative Informationsprojekte und sogar etablierte staatliche Medien zugunsten der Macri-freundlichen privaten Medienkonzerne geschleift. Der neoliberal-rechtskonservative Multimillionär Macri hatte kurz nach seiner Machtübernahme den Unternehmer Hernán Lombardi in das von ihm neugeschaffene Amt eines Ministers für öffentliche Medien eingesetzt.

In Lateinamerika sind die Medien ca. zu 90 Prozent in Händen mächtiger Familien und dubioser Wirtschaftsgruppen, hinter denen man faschistische Strukturen vermuten kann, deren Fäden die CIA nach Schema „Operation Condor“ zieht. Viele dieser Medienkonzerne haben ihre marktbeherrschende Stellung im Schutze von Militärdiktaturen aufgebaut. Die einstigen Propagandisten der Militärdiktaturen und faschistoider Ausbeuterregime erteilen nun den demokratisch gewählten Linksregierungen angebliche Lektionen in Demokratie. Jeder Versuch, die Medien selbst endlich zu demokratisieren, stößt natürlich auf ihren besonders erbitterten Widerstand. Öffentliche Lizenzen werden von medialen Großgrundbesitzern wie ewiges feudales Erbrecht dargestellt, jeder demokratisch legitimierte und gesetzlich vollzogene Lizenzentzug wird als Attentat gegen die Pressefreiheit denunziert. G.Gaznate

Medien-Minister Lombardis erste Amtshandlung bestand darin, die Staatsbeteiligung am alternativen lateinamerikanischen Fernsehkanal Telesur zu »überprüfen« und dann auszusteigen -ein schwerer Schlag gegen Telesur, den Argentinien war nach Venezuela dessen wichtigster Teilhaber. Seitdem geht es nicht nur als links geltenden Medien an den Kragen, sondern allen Journalisten, die ihre Stimme gegen die neoliberale Plünderung des Landes durch IWF und Großkonzerne erheben. Tatsächlich steht die Entscheidung im Zusammenhang mit einem Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (43 Milliarden Euro) an Macris Regierung. Der IWF hatte eine drastische Reduzierung des Haushaltsdefizits zur Bedingung gemacht, was zu Kürzungen und Entlassungen in mehreren öffentlichen Einrichtungen führte. Dabei ist die desolate Wirtschaftslage Argentiniens eine Langzeitfolge eines durch neoliberale und IWF-Maßnahmen ausgelösten völligen Zusammenbruchs des einst wohlhabenden Landes.

Télam und der Generalstreik gegen Macri und den IWF

Am 25. Juni protestierten die Gewerkschaften mit einem Generalstreik, der das gesamte Land 24 Stunden lang lahmlegte, gegen das IWF-Spardiktat und die Regierung Macri. Télam-Reporter hatten darüber ausführlich und zum Teil wohlwollend berichtet. Am folgenden Tag kamen die offenbar bereits vorbereiteten Kündigungen wegen „Kostensenkung“. Seit Ende Juni wehren sich die Télam-Mitarbeiter, von jenen angeblich neutral-ausgewogenen Westmedien (ARD, BBC, CNN usw.) fast unbemerkt, die bei Journalistenstreiks gegen von Westeliten als „Schurken“ ausgerufene Regierungschefs wie Erdogan oder Putin sonst sehr sensibel reagieren (natürlich „wegen der Pressefreiheit“ und nicht zu Propagandazwecken).

Die Télam-Beschäftigten reagierten mit Streik und Besetzung ihrer Agenturzentrale in Buenos Aires gegen die ideologisch motivierteen Massenentlassungen. Ein Vertreter der Mediengewerkschaft Sindicato de Prensa de Buenos Aires (Sipreba), bestätigte gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina, dass die Streikenden und ihre Unterstützer sich ständig im Gebäude aufhalten. Wer die Télam-Homepage (http://www.telam.com.ar/) aufruft, erhält seit mehr als neun Wochen die Mitteilung: »Aufgrund gewerkschaftlicher Maßnahmen ist der Dienst vorübergehend eingeschränkt.«

Bevölkerung steht hinter Journalisten

Was deutsche Journalisten sich inzwischen nicht mehr vorstellen können: Der Arbeitskampf der Medienleute findet in Argentinien breite Unterstützung durch die Bevölkerung. Am 5. Juli waren Tausende Journalisten einem Aufruf zur Kundgebung in der Hauptstadt gefolgt. Der Protestmarsch war die bisher größte Demonstration von Beschäftigten der Medienbranche in Argentinien. Bereits Ende Juni hatte ein Gericht die Entlassungen für unrechtmäßig erklärt, doch die endgültige Entscheidung über eine Klage von fünf Betroffenen erging erst am vergangenen Donnerstag.

Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass das Unternehmen sich nicht an die Richtlinien für betriebsbedingte Kündigungen im Krisenfall gehalten habe. Der Umfang der geplanten Umstrukturierung überschreite zudem jede Zumutbarkeit. Macris »Medienminister« Lombardi verkündete, dass er dem Urteil folgen und man die fünf Mitarbeiter wieder einstellen werde. Dafür würden jedoch ebenso viele andere Angestellte gekündigt werden. Das Unternehmen müsse sparen, um weiterhin existieren zu können. »Heute hat der Journalismus gewonnen«, kommentierte Lombardi auf Facebook.

Télam-Auslandsredakteur Camil Straschnoy widersprach: »Der Journalismus in Argentinien hat verloren.« Im November 2016 hatte er der Aargauer Zeitung (Schweiz) noch erläutert, welche Bedeutung Télam für die Medien seines Landes und Lateinamerikas habe. »Die internationalen News in Argentinien kommen von den großen Nachrichtenagenturen wie Reuters, AP, AFP und Efe, weil sich die lokalen Medien keine oder fast keine Auslandskorrespondenten leisten können«, sagte er in einem Interview. »Ich arbeite in der wichtigsten Nachrichtenagentur meines Landes, und selbst wir haben nur in London, Barcelona, Vatikan-Stadt, Santiago de Chile und San Pablo eigene Leute.« Trotzdem sei die Agentur wichtig, denn »alle erwähnten internationalen Nachrichtenagenturen verfolgen eine redaktionelle Linie, die ihren politischen und finanziellen Interessen entspricht«. Anderthalb Jahre später äußerte Straschnoy sich gegenüber Telesur desillusioniert. »Während die Regierung Finanzspekulanten und Oligopole bevorzugt, hat Präsident Mauricio Macri beschlossen, (…) Journalisten zu entlassen«, kritisierte der Télam-Auslandsredakteur. Straschnoy wirft dem Staatschef vor, die kritische Berichterstattung mundtot machen zu wollen.

Kreuzzug gegen freie Berichterstattung

Neoliberale reden gern von Freiheit, meinen damit aber nur die Freiheit der Großkonzerne. Der Angriff auf Telesur war für Macri und Lombardi erst der Beginn ihres Kreuzzuges. Auch der multinationale Kanal Telesur versteht sich als Gegengewicht zu den US-Nachrichtengiganten CNN und Univision, der britischen BBC und den konservativen Konzernmedien des Kontinents. Ein Ausstieg Argentiniens aus dem Projekt wäre ein Erfolg für die privaten Medienunternehmen und die politische Rechte in Lateinamerikas, die den Sender seit dessen Gründung attackieren. Neben Telesur sind seit einiger Zeit auch die öffentlichen Medien im Visier.

Besonders betroffen sind staatliche Hörfunk- und TV-Sender. Ende 2017 wurden zunächst 16 Mitarbeiter des nationalen Radios gekündigt. Danach folgte die Entlassung von 180 Beschäftigten verschiedener Kanäle des öffentlichen digitalen Fernsehens: Als Erdogan in Ankara ähnliche Säuberungen durchführte standen die ARD-Berichterstatter Kopf vor Empörung, in Argentinien ist es ihnen offenbar gleichgültig -weil Macri ideologisch auf ihrer Linie liegt, d.h. auf der Washingtons, und Erdogan nicht? Sipreba-Sekretär Carlos Saglul fürchtet, dass der Kahlschlag weitergeht: »So wie alle neoliberalen Regierungen, die wir bisher erdulden mussten, haben auch sie es auf die öffentlichen Medien abgesehen.« So die Junge Welt.

Brasilien-Putsch: Propaganda-Hilfe von deutschen Medien

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Zurück zur Bananenrepublik Brasilien?

Galindo Gaznate

Brasilia. Präsidentin Dilma Rousseff wurde von Schergen der prowestlichen Diktatur gefoltert und vergewaltigt als ihre Arbeiterpartei mit anderen Linken die Demokratie erkämpfte. Jetzt setzen deutsche Journalisten das Werk der Folterknechte mit medialen Mitteln fort. Die Arbeiterpartei setzte mühsam erste Ansätze gegen Korruption der verrotteten politischen Klasse durch, doch die schlägt mit ihrem Putsch zurück: Eine Hetzkampagne der Privatmedien um den Globo-Konzern (ein reaktionäres Relikt der Diktatur) im Dienste der Korrupten in den Rechtsparteien stellte ausgerechnet Rousseff als angeblich korrupt hin. Dahinter steckt die Angst vor der Bekämpfung von Korruption bei den korrupten Putschisten -und vermutlich viele Dollars, mit denen sie die nötigen Stimmen im Senat kauften, um Rousseff rechtswidrig kaltstellen zu können.

Obwohl zuletzt dank vieler fleißiger Aufklärer in Blogs wie Jasminrevolution oder einartysken die BrasiliaFlagARD-Lügenkampagne gegen Dilma Rousseff abbröckelte und die „Damen und Herren Journalisten“ notgedrungen doch noch ein paar Krümelchen Wahrheit präsentieren mussten, klebten sie in der Tendenz weiter an ihrer Pro-Putsch-Propaganda. Teils unter lächerlicher Verdrehung der Wahrheit: Im Deutschlandfunk (DLF), der Stahlhelm-Fraktion der deutschen Staatsmedien, durfte sogar eine Rousseff-Befürworterin ein paar Worte sagen -die ausgewählte Dame sprach nur leider kaum Deutsch und wurde vom „öffentlich-rechtlichen“ Redakteur mit einem Propaganda-Wortschwall niedergeredet. Der gab schließlich zu, was der DLF wochenlang immer wieder abgeleugnet hatte: Die Vorwürfe gegen Rousseff sind Humbug und nur ein Vorwand für ihre skandalöse Absetzung. Aber dann behauptete der DLF-Mann frech, aha, Korruption gibt es aber „in Brasilien“ und Dilma Rousseff und ihre Arbeiterpartei haben dafür „mit ihrer Politik den Nährboden gelegt“. Perverser kann man die Wahrheit kaum verdrehen. Ein weiterer Putsch in Obamas Roll-Back-Kampagne gegen die sozialen Reformen in Lateinamerika nimmt seinen in Westmedien bejubelten Lauf -die Solidarität von Deutschen mit Brasilianern und Brasilianerinnen soll offenbar im Keim erstickt werden.

US-Agent Temer und sein Kabinett des Schreckens

Dabei ist die feine Gesellschaft der parlamentarischen Rousseff-Gegner von US-Marionetten, Klüngel der alten Folterdiktatur und Rechtsextremisten durchsetzt: Aus von Wikileaks enthüllten US-Depeschen vom 11. Januar 2006 und 21. Juni 2006 geht hervor, dass der jetzige Putsch-Präsident Michel Temer gegenüber den USA über seinen damaligen Präsidenten Lula da Silva (Arbeiterpartei) auspackt, also den Vorgänger von Rousseff, der jetzt ihre größte Stütze ist. Bezüglich der Wahl von 2006, bei der Lula wiedergewählt wurde, spielt Temer mit den Amerikanern Szenarien durch, die den Wahlsieg seiner rechtspopulistischen Partei (PMDB) besiegeln sollen, was nicht ganz klappte. Aber with a little Help von Uncle Sam brachte Maulwurf Michel Temer es ja in die Regierung Rousseff, wo er seinen Verrat fortsetzen und den Auftrags-Putsch durchziehen konnte.

Von den Kabinettssitzen der neuen Regierung ohne Lulas und Rousseffs Arbeiterpartei entfallen auf Temers PMDB, sechs Minister, wie schon unter Rousseff. Die nur ihrem Namen nach sozialdemokratische, ebenfalls eher rechtspopulistische PSDB, die aus den letzten vier Wahlen stets als Verliererin hervorging, kann jetzt drei Minister stellen, die rechte DEM kriegt das Bildungsressort übernehmen und entsendet einen Hinterbänkler namens Mendonça Filho. Der neue Arbeitsminister Ronaldo Nogueira de Oliveira, ist als Prediger einer evangelikalen Sekte dem Bushclan der US-Oligarchen sicher zugetan. Oliveira hatte ein ungemein christliches Gesetz vorgeschlagen, nach dem Hausangestellten während des gesetzlich garantierten Urlaubs die Tage in Rechnung gestellt werden sollten, die sie normalerweise hätten arbeiten müssen (also das Urlaubsgeld gestrichen). Den USA und ihren Oligarchen angenehm ist sicher auch auch der künftige Agrarminister und Multimillionär Blairo Maggi, einer der größten Soja-Anbauer der Welt und sicher gut befreundet mit den Besitzern von Monsanto, die weltweit ihr Genfood durchdrücken wollen (etwa mit TTIP auch in der EU).

Doch es gibt noch dunklere Gestalten im Putsch-Kabinett (was erneut an Kiew denken lässt). Laut Página12 ist der neue Justizminister, Alexandre de Moraes, Ex-Anwalt des gerade wegen mutmaßlicher Korruption vom Obersten Gerichtshof abgesetzten Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha. Cunha ist einer der Hintermänner des offenbar ferngesteuerten Putsches gegen Dilma Rousseff. De Moraes war bis Mitte dieser Woche zudem Beauftragter für öffentliche Sicherheit in San Pablo: „Dort war er dafür bekannt, jede Demonstration von Studierenden von der Polizei mit Kriegswaffen auflösen zu lassen“.

General chama relatório da Comissão da Verdade de "leviano" Arte sobre foto de Ricardo Wolffenbüttel/Agencia RBS

Arte sobre foto de arquivos do Dops de Curitiba da época da ditadura militar

Putschpräsident Temers neuer Minister für Nationale Sicherheit, General Sergio Westphalen Etchegoyen jr., ist Nachwuchs der USA-gesteuerten Folterdiktatur in Brasilien (1964-1985). Als die brasilianische Wahrheitskommission ihren Abschlussbericht vorstellte und zahlreiche Staatsverbrechen während der Militärdiktatur anprangerte, bezeichnete Etchegoyen jr. das Dokument als „verantwortungslos“. Ein möglicher Grund: Sein Vater, Leo Etchegoyen, ebenfalls ein General, taucht in dem Bericht als Vergewaltiger und Folterer auf und eine Rebellion gegen ihn hat der saubere Sohnemann wohl verpasst (danke, El Topolino).

Faschisten zog sich die CIA schon in der Folterdiktatur heran: Jair Bolsonaro, der für Dilmas Amtsenthebung stimmte, hat im Parlament die Folterknechte beglückwünscht, die die Präsidentin vergewaltigt und gequält haben als sie im Widerstand gegen die Militärdiktatur war: „During his vote in favor of president Dilma Rousseff’s impeachment, Bolsonaro made homage to colonel Brilhante Ustra, an agent of Brazil’s military dictatorship who tortured Dilma Rousseff. Ustra headed the DOI-CODI torture unit during the dictatorship.“ wikipedia

ARD lügt durch Verdrehen und Weglassen

Die ARD-Tagessschau jubelt „Brasiliens Präsidentin suspendiert Senat entmachtet Rousseff“ und setzt ihre Linie fort, die Lügen der korrupten Putschisten zu wiederholen:

Brasiliens Präsidentin Rousseff muss ihr Amt 180 Tage lang ruhen lassen. Der Senat stimmte für ihre vorläufige Suspendierung und die formelle Aufnahme eines Amtsenthebungsverfahrens. An Rousseffs Stelle tritt in dieser Zeit ihr Vize und Gegner Temer. Der braslianische Senat hat mit 55 zu 22 Stimmen für die Suspendierung der Präsidentin Dilma Rousseff gestimmt. Die Staatschefin muss ihr Amt 180 Tage ruhen lassen. In dieser Zeit wird der Senat die Vorwürfe gegen sie unter Leitung des Obersten Gerichtshofs erneut untersuchen. Anschließend kann er Rousseff mit einer Zweidrittelmehrheit endgültig des Amts entheben. Gleichzeitig beginnt ein Amtsenthebungsverfahren. Dieses wird mit Regelverstößen beim Umgang mit Staatsgeldern und Buchhaltungstricks im Staatshaushalt begründet.ARD 12.5.2016Logo tagesschau.de

Spätestens seit dem 17.April 2016 ist klar, dass Brasilien in einer Regierungskrise steckt. An diesem Tag beschloss die Abgeordnetenkammer in Brasilia knapp eine Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff. Unsere Medien von ARD bis RTL setzen, so sie überhaupt eine Kurzmeldung zu den skandalösen Vorgängen in einer der zehn größten Wirtschaftsnationen der Welt verlieren, als „Erklärung“ meist dazu, dass ihr „Korruption vorgeworfen wird“. Korruption wird in der Politik Brasiliens vielen vorgeworfen –meist zu Recht. Aber nicht bei Dilma Rousseff, weshalb die Rechtsparteien, die ihre Präsidentin nun stürzen wollen, eine windige Anklage wegen „Bilanzfälschung“ angehängt haben. ARD dazu: „Wegen der schweren Wirtschaftskrise und spektakulärer Korruptionsermittlungen war der Druck auf Rousseff zuletzt immer größer geworden.“ Ja, ja, „der Druck“ (woher der kommt, hat den ARD-Konsumenten nicht zu kümmern), nur die Rousseff und ihre Leute meckern am „Verfahren“ herum, so die Tendenzberichterstattung der ARD, und es gab ja die „Bilanzfälschung“.

Bilanzfälschung? Wie oft haben ARD & Co. diese Hetzparole der korrupten Rechtspopulisten (und ihrer stramm rechts stehenden Medienkonzerne) stereotyp wiederholt, ohne zu sagen worum es wirklich geht? Also um die gängige Schönung von Staatsbilanzen, die alle Regierungen vor Rousseff auch vornahmen (die auch in Deutschland nicht unüblich sind und in den USA sowieso). Nur wollte Rousseff damit Konjunktur- und Sozialprogramme finanzieren, statt Geld zu stehlen und zu Westbanken zu transferieren wie die im Westen beliebteren Rechtspolitiker. Im Propagandakampf gegen Dilma Rousseff prasseln auf der Straße auch Parolen von Korruption auf die Präsidentin von Amerikas zweitgrößter Nation –nach den USA- nieder. Diese Lügen werden bei uns von der ARD & Co. begierig aufgegriffen, welche die Hetze im nüchtern-nasalierenden Tonfall der „öffentlich-rechlichen“ Staatssender zu Fakten umdichten: laut ihrer Rechtsgrundlage, den Medienstaatsverträgen, wären sie zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet (die hier aber nicht in die Linie der Westmächte und –oligarchen zu Brasilien passt: Man will so schnell wie möglich wieder eine prowestliche Rechtsregierung).

Beim ARD-Konsumenten sollte wohl hängen bleiben: „Rousseff ist wegen Korruption in Schwierigkeiten“. Tatsache ist aber, dass die Regierung Rousseff auch wiedergewählt wurde, gerade weil sie erfolgreich gegen Korruption vorgegangen ist. Aktuell musste etwa Brasiliens größtes Bauunternehmen, Odebrecht, seine Parteienfinanzierung offenlegen. Beim Bauboom der Fußball-WM 2014 gab es genug Korruption und alle warteten gespannt auf diese Zahlen: Auf der Liste von über 300 „bespendeten“ Politikern stand alles, was in Brasilia Rang und Namen hat –nur Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei nicht (und auch ihr Vorgänger nicht, der Links-Präsident Lula).

Warum stützen ARD & Co. Putschisten?

Wie in der Ukraine stellen ARD, Bertelsmann & Co. sich in Brasilia schützend vor einen Putsch gegen ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt, das den Westmachhabern im Weg ist. In Kiew waren es faschistische Horden und –vermutlich von West-Söldnerfirmen ausgebildete- Paramilitärs. Die durften unter dem Propaganda-Schirm des fröhlich-grünen „Euromaidan“ ihre Massenmorde begehen, das Parlament stürmen und Obamas Liebling Jazenjuk installieren. In Brasilia ist es eine rechte Mehrheit im Parlament selbst, die den Putsch plant: Das Präsidialsystem erlaubt es dem Parlament nicht, eine Präsidentin abzusetzen, doch die Putschisten wollen die Rechtslage offensichtlich ignorieren. Schützenhilfe geben ihnen die Westmedien wie ARD und DLF, die tendenziöse Berichte beisteuern. Warum? Die linke Politik der Arbeiterpartei (die immer auf Koalitionen mit diversen konservativen, neoliberalen und rechtspopulistischen Parteien wie jener der Putschisten angewiesen war) war den Westoligarchen immer ein Dorn im Auge. Das große Land litt immer unter der Knute der Westkonzerne vor allem der USA, die dort die Korruption förderten, um Land und Leute ungestört ausbeuten zu können, schrieb nach dem Sieg von Dilma Rousseffs Parteifreund Lula der UNO-Beauftragte für Armuts- und Hungerbekämpfung Jean Ziegler (der Schweizer Bankenkritiker):

BrasiliaFressen

Es ist angerichtet. Prowestliche Putschisten servieren Brasilien wieder den Westoligarchen und ihren Konzernen.

„In Brasilien ist eine großartige demokratische, antikapitalistische und friedliche Revolution im Gange. Von ihrem Ausgang hängt nicht nur das Schicksal von 180 Millionen Menschen ab, sondern das eines ganzen Kontinents… Wie die meisten Nationen Lateinamerikas leidet auch Brasilien darunter, dass die transkontinentalen Privatgesellschaften das Land mehr und mehr in Beschlag nehmen… Diese Revolution wird in Europa praktisch nicht wahrgenommen. Ihr Ausgang ist ungewiss.“ Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, München 2005, S.169

Klar, dass so etwas unsere Medien nie weitermeldeten. USA und CIA dagegen setzten im Auftrag der transkontinentalen Privatgesellschaften (sprich: der Westoligarchen und ihrer Konzerne) alles daran, die Revolution zu stoppen und umzukehren und infiltrierten und korrumpierten dafür munter weiter: Die Panama-Papers enthüllten diverse weitere Korruption der aktuellen Dilma-Gegner, doch Brasiliens große Medien schweigen dazu, denn sie stehen stramm rechts, sind sogar wie der reaktionäre „Globo“-Konzern (Liebling der Folterdiktatur in Brasilia 1964-84) selbst in Korruption verwickelt. Globo-TV hetzte am heftigsten gegen die Arbeiterpartei und Dilma Rousseff. „Unter der brasilianischen Militärdiktatur begann der Aufstieg des Globo-Imperiums, heute Brasiliens führender Anbieter bei TV-Angeboten und im Printmarkt zweitgrößter Herausgeber von Büchern und Magazinen“ (ein brasilianischer Bertelsmann also). Globo TV ist mit einer Reichweite von 99,99 % der größte Sender Brasiliens mit gut 5 Milliarden Dollar Umsatz, laut mediadatenbank.

Medien und Justiz des Landes mühen sich unredlich, Rousseffs Arbeiterpartei den Ruf der Korruption anzuhängen. Doch die Fakten sprechen gegen ihre Linie und die Reformen der Justiz seit der Linkspräsident Lula da Silva 2002 Brasilien regierte zeigen wenigstens einige Wirkungen: Richter wagen auch, die Machtelite zu belangen, etwa den Rousseff-Gegner Eduardo Cunha mit seinen fünf Millionen in der Schweiz.

Rousseff verlor Rückhalt der Linken

Dilma Rousseff hat in der NSA-Affäre Obama die Stirn geboten. Sie hat Solidarität geübt auch mit entschiedeneren Linksregierungen von Venezuela und Bolivien. Deshalb wird sie von Washington gehasst und die EU-Europäer erweisen sich auch hier als treue Vasallen Obamas. Doch sie hat auch politische Kompromisse mit Rechten und Neoliberalen machen müssen, hat das National-Spektakel der Fußball-WM finanziert, obwohl viele soziale Probleme des Landes weiterhin brennen. Das brachte große Proteste von links. Obamas Lateinamerika-Feldzug bedient sich reihenweise solcher Fehler, die Linksregierungen machen, stachelt Proteste dagegen an, unterwandert sie in CIA-Manier mit nationalistisch-faschistischen Gruppen und finanziert Rechtspopulisten die Wahlkämpfe. Auch in Brasilien schart sich heute wieder eine Rechtsextreme um ihren Führer Jair Bolsonaro –dessen Finanzierung mit CIA-Dollars freilich noch nicht nachgewiesen ist.

Wer diese Praxis der USA, Außenpolitik durch geheimdienstliche Destabilisierung und Zersetzung zu betreiben, immer noch reflexartig als „Verschwörungstheorie“ abtut, steht heute wie ein Idiot da: Washington leugnet seine BrasiliaMapInterventionen kaum noch und brüstet sich inzwischen sogar mit derartigen Schmutzkampagnen, so sicher ist man sich der Medienmanipulation der West-Öffentlichkeiten: Der „Regimewechsel“ in der Ukraine habe 4 Milliarden Dollar gekostet, tönte Obamas Frau in Kiew, Miss Victoria „Fuck-EU“ Nuland. Die Liste der „Erfolge“ betrifft auch Lateinamerika: In Honduras wurde 2009 Manuel Zelaya gestürzt (mit tatkräftiger Hilfe der deutschen FDP-Parteistiftung F.Naumann), in Paraguay 2011 Fernando Lugo; in Venezuela wurden die Chavisten in die Minderheit getrieben und nun ist Brasilien an der Reihe. Anders als Maduro in Caracas, der mit massiven Terrorkampagnen konfrontiert war, setzte Brasilia auf einen flexibleren, zurückweichenden Kurs.

Obama lässt Temer zum Angriff blasen

Rousseff hatte im Januar 2015 sogar einen Banker als Finanzminister eingesetzt, dessen neoliberale Finanzpolitik Finanzkonzerne freute, der aber nicht im Traum daran dachte, soziale Programme effektiver zu finanzieren. So verlor sie weiter an Rückhalt auf der Linken, ohne bei der bürgerlichen Rechten Sympathien zu gewinnen. Doch jetzt, wo ein Rechtsputsch droht, rückt das Volk wieder näher zusammen –gegen die wohlfinanzierten Anti-Dilma-Kampagnen. US-Marionette Temer gibt ihnen Recht: Als eine der ersten Amtshandlungen entlässt seine Putschisten-Regierung 4.000 Staatsbedienstete.

Widerstand ist jetzt nötig, denn Brasilien ist enorm wichtig für die lateinamerikanische Welt, nicht nur weil es inzwischen über 200 Millionen Einwohner und ein BIP von drei Billionen Dollar hat, also mehr als die EU-Großmächte Frankreich, England, Italien. Auch weil es ein Beispiel war für eine zwar nicht radikale, aber dafür friedliche, auf Ausgleich bedachte soziale Politik. Diesen Frieden hat die Rechte jetzt auf mutmaßliches Geheiß Obamas aufgekündigt und bläst zum Angriff auf Alte, Kranke, Arme, Kinder und die arbeitende Bevölkerung allgemein: Der Neoliberalismus wird seine Opfer fordern. Argentinen, wo Obama seine neueste neoliberale Marionette mit legalen Mitteln an die Macht brachte, ist abschreckendes Beispiel für das, was Brasilien jetzt drohen könnte: Weitere Massenentlassungen, verschärfte Ausbeutung, Freudenfeste für Westoligarchen von Coca Cola & Co.